Einbruch ins Gefängnis! Weggeschlossene Gefangene!

GG/BO Soligruppe Köln: Sie wurden auf Corona-Infektion getestet! Alle, die dazu bereit waren! Alle der etwa 1400 Strafgefangenen,  Sicherungsverwahrten und Bediensteten in der JVA Werl ! Na, das ist doch mal was? Fragt sich nur, wann das geschah. ZU SPÄT! VIEL ZU SPÄT!  Erst nachdem das Virus ins Gefängnis eingedrungen war und sich schon verbreitet hatte, die Infektion also schon ein- und ausgebrochen war. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem grad fast alle draußen und drinnen sich auf zu erwartende  Lockerungen freuten!

Aber der Reihe nach: Am Freitag, 28.05., wurden die in der Sicherungsverwahrung Gefangenen  frühzeitig weggeschlossen mit dem Hinweis: 14 Tage Quarantäne! Corona!
Am späten Abend wurde der lokalen Presse (Soester Anzeiger, 28.05.) bestätigt, dass es – ausgehend von EINEM Positiv-Test – tagsüber mehrere solcher positiven Ergebnisse in verschiedenen Abteilungen gegeben habe . Alle Betroffenen und Kontaktpersonen seien isoliert worden.

Von Einschluss und Quarantäne für alle – in allen Häusern – scheint da noch nicht die Rede gewesen zu sein. In einem  (uns auszugsweise vorliegenden) Eilantrag auf gerichtliche Entscheidung schreibt aber N.A. Konrad (Gefangenengewerkschafts-Sprecher der SV): „Der Leiter der JVA Werl hat sofort den andauernden Einschluss (Isolation !) zu beenden, dem ich seit Freitag, den 28.Mai 2021, nahtlos unterworfen bin.“ Er war nicht der einzige von dieser Maßnahme Betroffene. Das waren ALLE in Haus IV (SV). Doch eine solche Klage erfordert die „ich-Form“, da sie nur in eigener Sache erhoben werden kann. (Am besten hätten wohl gleich alle oder zumindest die meisten einen solche Klage gemacht …)

Nach einer Sonderkonferenz am Samstag, 29.05 wurde von der JVA-Verwaltung am Sonntag, 30.05. öffentlich erklärt, es gäbe nun 12 positiv Getestete: Als Schutzmaßnahmen werde wohl Quarantäne für alle „Insassen“ erforderlich. Also mindestens 23 Stunden Einschluss,  kein Umschluss, keine gemeinsamen Aufenthalte in der Teeküche, reduzierte Freistunde in Kleingruppen mit Abstand, Maskenpflicht für Gefangene und verwahrte, Rauchverbot, (Freistunde fiel teilweise sogar ganz aus), weniger Duschmöglichkeiten, Schließung aller Arbeitsbetriebe außer Küche und Bäckerei, keine Besuche, keine Verlegungen.

Am Montag, 31.05., wurden zusätzlich ein Häftling und eine Bedienstete als erkannt dazu gezählt. Außerdem teilte die Verwaltung mit, dass ein Gefangener als schwer erkrankt in das NRW-Knastkrankenhaus verlegt wurde.  Als Spekulation wurde in den Raum gestellt, ein Infizierter sei vom 17-19.05 in der JVA Münster gewesen, habe sich vielleicht dort angesteckt. Und der hier anfangs erwähnte Test für alle 1400 Verdächtige wurde an diesem Zeitpunkt für die beiden  Folgetage angekündigt.

Die Neuinfektionen im Knast erregten Ende Mai, Anfang Juni draußen sofort Ängste, nun müsse  der ganze Kreis auf die gerade erreichbare Lockerungsstufe I verzichten. Dann ist es auf einmal interessant, was im Knast passiert! Das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit  und Soziales (MAGS) fand aber den Trick, dass das Gefängnis zwar kein „geschlossenes System“sei, weil ja dort Arbeitende in der Region wohnen, die dortigen Fälle aber trotzdem als „isoliertes Ausbruchsgeschehen“, welches kontrollierbar sei, definiert werden könnten. Die entsprechende Corona-Schutz-Verordnung wurde dafür abgeändert. Die Fälle in der JVA sollen dem Ministerium gesondert gemeldet und dann nicht auf den Kreis angerechnet werden.

Wieso ist das „Quarantäne“, wenn die Vollzugsbediensteten weiter täglich ein- und ausgehen, sich in der Stadt bewegen und dann in der Anstalt? Wieso müssen die nicht auch im Knast bleiben, als Schutzmaßnahme für die umliegende Bevölkerung? Wie legitimisiert sich eine totale Isolierung der Inhaftierten, wenn die hauptsächlichen Gefährder nicht mit isoliert werden, sondern weiter agieren können? Ist das nicht juristisch abgedeckter Betrug? Verarschung der in der Region lebenden und arbeitenden Menschen? Missbrauch derer, die die Zwangsanstalt unter ihrer Gewalt hat?

Vom 1.- 2. Juni wurden die Tests für alle im Knast von der Pandemie Gefährdeten durchgeführt. (Das war wohl eine der Kontrollbedingungen für das so etikettierte „isolierte Ausbruchsgeschehen)  Das Ergebnis brachte 21 zusätzlich Infizierte hervor. Ich kann schlecht rechnen. Aber wieso ergibt das dann „36 positive Fälle unter den Insassen“ (Soester Anzeiger, 03.06.) wenn vorher nur 13 angegeben waren? Wo doch im Gegensatz zum 31.05. behauptet wird: „Bisher sind keine Mitarbeiter betroffen“. Tags drauf waren es dann sogar 37 bestätigte Fälle (ebd.) Wurden damit unterschlagene „Insassen“ nachgeliefert?  Oder wäre da vielleicht noch Platz für 2 versteckte JVA-Mitarbeiter zusätzlich zu der vergessenen Mitarbeiterin?

Wir fragen das, weil der Sprecher, der SV-Gefangenen (bzw. Sicherungs-“Verwahrten“) von Anfang an – also seit über einem Jahr und bei all den erfolgten Kontaktbeschränkungen – die Bediensteten als die fast einzig möglichen Gefährder eingeschätzt hat. Er war mit Veröffentlichungen, Rundbriefen und juristischen Klagen dagegen angegangen, dass diese täglich von draußen Reinkommenden oft keine Masken trugen, die Gefangenen ihnen aber nicht immer ausweichen können. Selbst wenn es zeitweilig eine MaskenPFLICHT für die Bediensteten gab: Es gab auch die öffentlichen und formellen Klagen und Beschwerden  des GG-Sprechers über die Maskenlosigkeit der Staatsdiener. Angesichts der Allgegenwart der Überwachungskameras wäre es nicht schwer gewesen zu kontrollieren, ob die Beschwerden berechtigt sind. In letzterem Fall hätte der Anstaltsleiter doch sicher die Möglichkeit gehabt, die Nachlässigen oder bewusst Provozierenden nachdrücklich an ihre Pflicht zu erinnern.

Wir widersprechen also  der Behauptung der Anstaltsleiters, viele Schutzmaßnahmen seien während der Pandemie-Gefahren unternommen worden, um das Virus so gut wie es eben geht aus der Anstalt heraus zu halten (so im Soester Anzeiger vom 28.05. berichtet).

Was waren denn das für Schutzmaßnahmen?

  • Die medizinische Versorgung wurde noch unerreichbarer und schlechter als sonst.
  • Zeitweilig keine Besuche, oder reduzierte Besuche mit Plastik-Trennscheibe, Mundschutz, Abstand und Berührungsverbot
  • Zunächst gar keine, dann Aushändigung unbrauchbarer „Schutzmasken“ aus China (erst ab 23.2.21!, wahrscheinlich so Schrottzeug, wie es Bundesgesundheitsminister Spahn an Obdachlose, Behinderte und Minderbemittelte verteilen wollte)
  • über lange Zeiträume gar keine Lockerungen (wie Ausführungen, Ausgang, Urlaub)
  • keine Veranstaltungen und Kurse
  • keine Einhaltung des Abstandsgebotes zwischen Strafgefangen und Sicherungsverwahrten
  • aber weiter Arbeit in den Arbeitsbetrieben

Das ging doch nur auf dem Rücken der Inhaftieren und ihrer Angehörigen !

Wie wäre es mit anderen Schutzmaßnahmen?

  • Wurden die Bediensteten täglich getestet, sobald es zugängliche Testmöglichkeiten gab?
  • Wo waren die Tests für Gefangene und „Verwahrte“? (Nicht erst, als es schon zu spät war!)
  • Wurden die Bediensteten als Gefährder geimpft?
  • Wurden die Gefangenen, die dazu bereit sind, als besonders Gefährdete geimpft?

Ja, vielleicht sind die meisten Wärter inzwischen geimpft. Aber, so weit wir das aus einem Text der Strafvollzugsbediensteten verstanden haben, erst seitdem das Virus „im Haus“ ist.  Oder wie ist es anders zu verstehen,, was beim Bund der Strafvollzugsbediensteten zu lesen ist: „nachdem das Problem der Immunisierung der Kolleginnen und Kollegen durch Maßnahmen vor Ort weitgehend abgearbeitet ist, müssen jetzt noch die Inhaftierten geimpft werden.“
Wären die Bediensteten schon vor Verbreitung der Infektionen geimpft worden,  hätte das den Inhaftierten mitgeteilt werden müssen. Das hätte andauernde Ängste und Konflikte reduziert. Anscheinend war das späte Impfen auch nur eine der Kontrollbedingungen für die Konstruktion „isoliertes Ausbruchsgeschehen“.

Zugegeben: die Entscheidungen bezüglich des Impfens konnten  nicht von einer einzelnen Anstalt gefällt werden. Das war eine Frage der bundesweiten Priorisierung. Die zwangsweise Zusammengesperrten (auch in Asylbewerber-Unterbringungen) hätten genau so priorisiert werden müssen wie Menschen in Seniorenheimen. Denn sie sind offensichtlich durch ihren Zwangs-Aufenthaltsort sehr gefährdet. Und der Staat, der die dortigen Lebensverhältnisse erzwingt, steht in der Verantwortung, die davon Betroffenen in einer besonderen Gefahrensituation nicht zu vergessen. Speziell die Menschen in der Sicherungsverwahrung sind sogar doppelt gefährdet:  zusammengesperrt und meist in fortgeschrittenem Alter. Es gab Menschen, die hinsichtlich der Gefahren  schon früh gewarnt haben. Aber die in den Knästen wurden mal wieder systematisch übersehen.

Vertuschungsmaschine

Es ist zu beobachten, dass bei den öffentlich gewordenen Verlautbarungen der Anstaltsverwaltung versucht wird, diese rein zu waschen. Es wird mehrfach betont, bei den Infizierten handele es sich ausschließlich um Inhaftierte. Bedienstete seien nicht betroffen. Bzw. die dummerweise einmal genannte infizierte Bedienstete spiele angeblich keine Rolle bei der Infektion der Inhaftieren. Es waren auch zuvor offensichtlich Bedienstete infiziert gewesen, die aber „keinen persönlichen Kontakt zu Gefangenen“ hatten. Doch die Bediensteten haben Kontakt miteinander! Da konnte durchaus auf Umwegen das Virus bis zu einem Inhaftierten getragen werden.

Aber weil nicht sein kann, was nicht sein darf, musste dann als möglicher „Verursacher“ ein Gefangener herbeigezogen werden, der sich an 3 Tagen in der JVA Münster befunden habe. Das war aber ein Zeitpunkt, in dem in Münster noch keine Infektionen bekannt waren (17. – 19.05). „Hinweise auf eine Infektion in der JVA Werl gab es erstmalig am 28.Mai“ wird der stellvertretende Pressesprecher der Landesvollzugsdirektion im Soester Anzeiger vom 31.05. zitiert. Demnach wurde der mögliche „Verursacher“ nicht direkt nach seiner Rückkehr aus Münster auf Corona getestet, sondern erst, als er – oder ein von ihm Infizierter – deutliche Symptome der Erkrankung zeigte. Und dann kann der hin und her Verschubte auch schon VOR seinem Transport nach Münster infiziert gewesen sein,  Erkann sogar der Ausgangspunkt der erst später bekannt gewordenen Infektionen in Münster sein. Denn vor seinem Transport nach dort ist er anscheinend auch nicht getestet worden. Von dieser Möglichkeit geht sogar auch der Bund der Justizvollzugsbediensteten aus und fordert „die bislang zu beobachtende Halbherzigkeit der ergriffenen Maßnahmen aufzugeben und alles daran zu setzen, damit der gesamte Vollzug jetzt zeitnah immunisiert wird“ (http://www.bsbd-nrw.de/aktuelles/aktuelles-bsbd/925-infektionsausbruch-in-der-jva-werl).

Was wird jetzt gebraucht?

Ja, Impfung aller Gefangener, die dazu bereit sind! Und weiter Vorsichtsmaßnahmen, solange noch Infektionsgefahren bestehen!
Aber keine weiteren Einschränkungen der wenigen Kommunikations-und Bewegungsmöglichkeiten der Gefangenen und „Verwahrten“! Sondern testen, testen, testen! Und zwar qualitativ verantwortbat! Z.B. vor Besuchen, vor und nach Ausgängen und Transporten, Kursen und Veranstaltungen mit Menschen von außerhalb. Auch geimpfte Strafvollzugsbediensteten weiter täglich oder mindestens wöchentlich testen, so lange nicht klar ist, ob sie trotz Impfung die Infektion übertragen können. Die nicht Geimpften natürlich sowieso vor jedem Dienstantritt testen!

Erforderlich ist derzeit ganz aktuell auch mehr Transparenz, Information von der Verwaltung an die Inhaftierten über die Entwicklung und Perspektiven in der Anstalt, bzw. in den Anstalten!

  • Informationen über die Ergebnisse der Tests.
  • Wie es den Infizierten geht.
  • Ob die Bediensteten geimpft wurden.
  • Ob Gefangene geimpft wurden, wie viele, nach welchen Maßstäben.
  • Wie die umgebende Öffentlichkeit reagiert.
  • Was weiter geplant ist.

Unwissenheit in Gefahrensituationen, Ängste und Gerüchte schüren eine Unruhe, die grad von der Verwaltung doch gefürchtet wird. Und wir plädieren nicht dafür, die Gefangenen unnötigen Ängsten auszusetzen, nur damit es mehr Unruhe gibt. Falsche Beschwichtigungsversuche sind aber auch zu vermeiden. Informierte Gefangene werden gebraucht, die Verhältnismäßigkeit einschätzen und Zusammenhänge verstehen, dem entsprechend handeln können.

Es ist doch ein Unding, dass wir Anstaltsfernen die Gefangenen – besonders so lange sie mehr als 23 Stunden einfach weggeschlossen sind – darüber informieren müssen, was in ihrer Anstalt passiert, was die Zeitungen und das Internet vermitteln!. Es gibt doch die Sprechanlagen! Die sind auch für tägliche Lageberichte nutzbar. Und es gibt das Internet, das sogar Weggesperrten Informationen zugänglich machen könnte, wenn denen das nicht willkürlich verwehrt würde.

Statt jetzt drinnen die Situation für die Betroffenen durchschaubar zu machen, scheinen die Verwaltung der JVA Werl und die beteiligten Landesbehörden auch Vertuschungsspiele mit der Öffentlichkeit zu praktizieren. Bloß nicht selbst verantwortlich sein für die Zustände! Dass es  häufig maskenlose Wärter und ungeschützte Inhaftierte gab, kein Wort davon! Als das Virus  dann trotz der angeblichen Schutzmaßnahmen eingebrochen war, funktionierte wieder zuerst nur das Wegsperren! Das Wegsperren von Menschen und von Informationen. Das ist die Logik des Knastsystems!

Die Gefangenen sollten sich das nicht unbedingt stumm gefallen lassen. Die Öffentlichkeit sollte sich das nicht unbedingt stumm gefallen lassen.  Letztere wird beruhigt, „die Stimmung habe sich bislang nicht dramatisch verändert“ (Soester Anzeiger, 30.5.21) und „alles laufe ruhig und reibungslos. Dass die schwierige Lage für Unruhe sorge, könne die Anstaltsleitung nicht beobachten.“ (Soester Anzeiger, 04.06.21)  Am 08.06. ist die offizielle Verlautbarung im Soester Anzeiger zu lesen: Alles „glimpflich“ verlaufen! Keine neuen Infektionen! Man klopft sich auf die Schultern, alles richtig gemacht zu haben. Sogar mit einem Päckchen Tabak würde mancher Gefangene unterstützt, der wegen Einkommensverlusts durch die Betriebsschließungen kein Geld für Einkauf habe! Ach wie großzügig! Damit sollen wohl die Gefangenen beruhigt werden.

Ist es ein positives Zeichen, wenn wir drinnen und draußen angesichts solcher Verhältnisse nicht unruhig werden? 

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

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