Teil 2: Zugang zu Entwöhnungs- und Entzugstherapien – Zur Situation ausländisch markierter Gefangener in sächsischen Knästen – ein unvollständiger Blick

Die Kleine Anfrage von Juliane Nagel vom 17. Mai 2021[1] widmet sich explizit dem Thema des Zugangs von geduldeten Gefangenen zu Entwöhnungstherapien. Den Anlass zur Anfrage gaben Unklarheiten, offene Fragen sowie der Verdacht auf strukturelle Benachteiligungen ausländisch markierter Gefangener beim Zugang zu Therapieangeboten. Die Antworten des Ministeriums konnten hier nur bedingt Abhilfe schaffen.

Überraschend und verwundernd ist zunächst, dass bislang statistisch nicht erfasst werde, wie vielen ausländisch markierten Personen (mit oder) ohne gesicherten Aufenthaltsstatus eine vorzeitige Entlassung zum Antritt einer Entzugs- oder Entwöhnungstherapie ermöglicht worden ist. Durch die fehlende Erfassung kann folglich keine konkrete Zahl abgeleitet bzw. Vergleiche angestellt werden, bspw. darüber wie viele geduldete Gefangenen überhaupt bislang eine Entwöhnungstherapie antreten konnten im Vergleich über die Gesamtzahl gestellter Anträge, oder wie sich dies gegenüber deutscher Gefangener verhält.

Der Antrag auf Übernahme der Therapiekosten muss bei geduldeten Gefangenen[2] in der Regel nicht bei den Krankenkassen, sondern beim zuständigen Sozialamt gestellt werden, da hier der Leistungsbezug über das Asylbewerberleistungsgesetz geregelt ist. Dieses sowie schon vielfach diskriminierende Gesetz sieht nur eine Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen vor[3], was bei einer Entwöhnungstherapie gewöhnlich nicht greift. Zwar eröffnet das Gesetz den zuständigen Sozialbehörden bestimmte Ermessensleistungen[4], doch erfahrungsgemäß machen diese von diesem Ermessen wenig Gebrauch. Demnach verhärtet sich der Verdacht, dass geduldete Gefangene allein aufgrund fehlender Kostenzusagen beim Therapiezugang benachteiligt und strukturell diskriminiert werden. Ferner kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Kostenantrag den Abschiebewillen seitens der Behörden bestärkt und eine Person bei Beantragung schneller ins Visier der Abschiebebehörden rückt. Gefangene haben uns als Soligruppe Leipzig zugetragen, dass sie aufgrund dieser Angst bewusst keine Therapie beantragen. Ebenso wurde uns von ihnen berichtet, dass Mitgefangene trotz einer Kostenzusage und einem Aufnahmetermin abgeschoben wurden und sie aufgrund dieser Angst bewusste keine Therapie mehr beantragen, trotz Bedarf und Indikation.

Im Weiteren sind der Soligruppe Fälle zugetragen worden, bei denen geduldete Personen trotz Kostenzusage eine Therapie nicht antreten konnten, weil seitens der Kliniken ein für die Gesamtdauer der Therapie gültiges Ausweisdokument verlangt wurde und es an der Vorlage scheiterte. Entweder wurde das oft nur für wenige Monate befristete Ausweisdokument zum Problem, oder es scheiterte daran, dass die Person gar nicht im Besitz eines solchen war und die Beantragung erfolglos blieb. Wie im Teil 1 dieser Artikelreihe schon erwähnt, stellen Ausländerbehörde zum Teil keine Duldungen während der Haft aus, wodurch Therapie-Willige faktisch von einer solchen ausgeschlossen sind. Leider scheint dies keine Ausnahme, sondern eher die Regel zu sein – auch wenn dem Ministerium laut eigener Aussage eine solche Praxis nicht bekannt sei.

[1]vgl. Drs.-Nr. 7/5980

[2]Betrifft hier Personen in Leistungsbezug nach §3 AsylbLG. Für Personen im Analogbezug nach §2 AsylbLG sollte dies nicht zutreffen.

[3]§4 Abs. 1 AsylbLG

[4]§6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG

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