GG/BO JVA Zeithain: Im Jahr 2013 wurden wegen Steuerhinterziehung bundesweit Freiheitsstrafen von insgesamt 2.154 Jahren sowie Geldstrafen von 44 Millionen Euro ausgesprochen. Mal ein ganz anderes Thema von der GG/BO:
Immer wieder kommt es vor, dass wir nicht als Gewerkschaft anerkannt werden. Zumeist in Gesprächen mit JVA Leitungen oder von Justizministerien, d.h. auf parlamentarischer Ebene. In einer kürzlich abgegebenen Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Anpassung der Telefonkosten für Gefangene in Sachsen heißt es beiläufig aus dem Justizministerium:
„Ergänzend ist festzustellen, dass es sich bei der sogenannten ,,Gefangenengewerkschaft“ nicht um eine Gewerkschaft im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG handelt, da Gefangene keine Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen und privatrechtlichen Sinne sind. Auch ist die sogenannte ,,Gefangenengewerkschaft“ keine gesetzlich verankerte Institution zur Interessenvertretung der Gefangenen.“
Quelle: https://kleineanfragen.de/sachsen/6/12053-anpassung-der-telefonkosten-im-strafvollzug
Die Berliner Strafrechtlerin und Kriminologin Kirstin Drenkhan kommentierte das Recht der GG/BO AktivistInnen sich als Gewerkschaft zu organiseren wie folgt: „Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“. Dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen.
Quelle: http://www.humanistische-union.de/nc/wir_ueber_uns/verein/vereinsnachrichten_detail/back/verein/article/soziale-verantwortung-hat-immer-etwas-mit-gruppenbelangen-zu-tun-1/
Eindrucksvoll scheint vor diesem Hintergrund auch die nicht vorhandene Transparenz zur Betriebslandschaft im Strafvollzug. So heißt es auf die Frage welche Unternehmerbetriebe denn in Sachsen produzieren lassen:
„In den Justizvollzugsanstalten bzw. der Jugendstrafvollzugsanstalt gibt es derzeit 24 Unternehmerbetriebe, in denen externe Vertragspartner ihre Produkte durch Gefangene fertigen lassen. Lediglich drei dieser Unternehmen haben ihr Einverständnis erklärt, öffentlich genannt werden zu dürfen. Diese Firmen sind in Tabelle 7 (Anlage) aufgeführt, Die Unternehmerbetriebe, die ihr Einverständnis nicht erklärt haben sind in der Tabelle I (Anlage) aufgeführt. Für die Letztgenannten wird gebeten, diese nicht zu Veröffentlichen, um das Vertrauensverhältnis [sic] zu erhalten und damit das Risiko zu vermeiden, dass sich diese Unternehmerbetriebe aus den Justizvollzugsanstalten zurückziehen. Das würde unweigerlich zum Rückgang der Beschäftigung der Gefangenen führen.“
Quelle: https://kleineanfragen.de/sachsen/6/6813-einstufung-nach-strafvollzugsverguetungsverordnung-stvollzvergo-sowie-saechsische
Unternehmerbetriebe welche Arbeitsplätze schaffen, Mindestlohn zahlen, Sozialleistungen wie Kranken- und Rentenversicherung abführen, sollten kein gestörtes „Vertrauensverhältnis“ zu befürchten haben. Immerhin sind zumindest Sozial- und Rentenversicherung seit 1977 beschlossen – nur noch nicht umgesetzt.
Wie elegant sich die Justizminister der Länder um diese Umsetzung drücken, wurde eindrucksvoll vom Grundrechtekomitee dokumentiert. Die Frage wurde von der Justizministerkonferenz (JMK) an Fachgremien zur Bearbeitung weitergeleitet. Unter Anderem an die Finanzministerkonferenz (FMK), welche eine Bearbeitung der Anfrage sogar verweigerte, weil sie eine Beurteilung der JMK vermisse.
Quelle: http://www.grundrechtekomitee.de/node/908
Nebst der Frage Sozial- und Rentenversicherung würde die Stellungnahme der Finanzministerkonferenz (FMK) auch die Frage nach dem, eingangs erwähnten, ArbeitnehmerInnenstatus beinhalten. Nicht etwa wegen des Existenzrechtes der GG/BO als anerkannte Gewerkschaft oder des Sozialversicherungsrechtes – uns stellt sich auch die Frage nach verlorenen Einnahmen aus Lohnsteuer. Unter den Steuergruppen stellt Lohnsteuer die höchste Einnahmeposition dar. Vom Lohnsteueraufkommen stehen 42,5 % dem Bund, 42,5 % den Ländern und 15 % den Gemeinden zu. Schätzungsweise würden z.B. den 6.000 EinwohnerInnen und SteuerzahlerInnen der Gemeinde Zeithain jährlich, bei aktuell 359 Gefangenen, Lohnsteuereinnahmen i. H. v. ca. 914.000€ aus der heimischen JVA zukommen.
Dass auch SteuerzahlerInnen dem Justizministerium Sachsen am Herzen liegen, liest sich auf dessen Webseite wie folgt: „Darüber hinaus macht sich auch für den Steuerzahler die Arbeit von Gefangenen »bezahlt«, da einem arbeitenden Gefangenen kein Taschengeld und keine Entlassungsbeihilfe gezahlt werden und da die mit dem Verkauf von im Justizvollzug hergestellten bzw. angebotenen Produkten und Dienstleistungen erzielten Einnahmen den Kostenaufwand vermindern. […] So kann die Einrichtung eines Betriebes in einer sächsischen Justizvollzugsanstalt durchaus eine Alternative zur Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland sein.“
Quelle: https://www.justiz.sachsen.de/content/600.htm
„Dass unter den Finanzministern der Länder zu unseren Forderungen das Schweigen ausbricht kann, angesichts der Kosten für den Strafvollzug, noch nachvollzogen werden. Dass BürgermeisterInnen, inbesondere denen von Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg oder Bremen und sogar der Bundeshaushalt auf die Einnahmen von Lohnsteuer der Gefangenen verzichten scheint uns jedoch schwer vorstellbar. Die Verantwortung für entgangene Steuereinnahmen liegt, unserer Ansicht nach, bei der Justizministerkonferenz (JMK) welche seit Jahrzehnten die Verantwortung föderal und interministeriell zu Verschieben versucht – gleichzeitig jedoch konkurrenzfähige Unternehmensstandorte mit zweifelhaften Arbeitsbedingungen bewirbt. Wir hoffen, dass die Frage der bislang entgangenen Lohnsteuereinnahmen transparent recherchiert und öffentlich thematisert wird.“ so Manuel Matzke, Sprecher der GG/BO JVA Zeithain.
Zeithain, 13. Februar 2017
Update: In Hamburg, Sachsen und dem Saarland wurden dazu Kleine Anfragen eingereicht. Weitere Bundesländer könnten folgen. Antworten sind die Berechnungsgrundlage zu den entgangenen Einnahmen für Bund und Gemeinden.
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Texte und Artikel geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.
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