Entlassung in die Obdachlosigkeit

GG/BO Soligruppe Leipzig. Vermehrt wenden sich kürzlich entlassene Häftlinge an uns, die mittel- und wohnungslos Unterstützung benötigen. Wir sehen hier Verbesserungspotential in den Abläufen des Justizvollzugs-Alltags. Folgende Punkte wurden, in Kooperation mit externen TrägerInnen, dabei ausgearbeitet.

Es erfolgt keine vorfristige Kontrolle der Personaldokumente auf Gültigkeit, so dass immer wieder Gefangene ohne gültige Ausweispapiere entlassen werden; jedoch ist wegen abgelaufener Personaldokumente keinerlei Beantragung von Sozialleistungen möglich, denn nur mit gültigen Ausweispapieren können entsprechende Anträge bei SozialleistungsträgerInnen und Behörden gestellt werden. Sinnvoll wäre, wenn die Kontrolle der Gültigkeit der Ausweispapiere bei bevorstehender Entlassung entsprechend vorfristig erfolgt, damit zumindest bei Entlassung gültige Ausweispapiere vorliegen. Davon hängt für Entlassene alles Weitere (insbesondere Leistungen für den Lebensunterhalt) ab.

Unkenntnis des JVA-Personals über die Wohnraum-/Meldesituation. Überwiegend existiert der im Ausweis angegebene Wohnort bei längerer Inhaftierung gar nicht mehr. Sinnvoll wäre die Kontrolle der Wohnraum/Meldesituation (existiert die dort eingetragene Wohnung noch, ging eine Kündigung voraus etc.), um die zukünftige Wohnraumsituation vor der Entlassung zu klären.

Sozialhilfeanträge bzw. bei arbeitsfähigen Gefangenen ALG I- oder ALG II Anträge bereits in der JVA ausfüllen und insoweit vorbereiten, dass die zügige Beantragung und Bescheidung nach Entlassung möglich ist. Nur insoweit ist für Gefangene auch zukünftig eine gesicherte Wohnsituation möglich.

Keine psychologische oder sucht-beraterische Anschlussbetreuung. Daher wird selbst gute psychologische oder Sucht-Betreuung in der Haft nicht unmittelbar nach Entlassung fortgesetzt. Die Wirkung verpufft quasi mit der Entlassung. Daher wäre bei psychologischer Betreuung in der Haftanstalt unbedingt angezeigt dass entsprechende Angebote nach der Haftentlassung aufgezeigt und bereits vor der Entlassung Termine mit PsychologInnen / SuchtberaterInnen o. Ä. vereinbart werden. Angesichts der langen Wartezeiten müßte dies rechtzeitig erfolgen, um die Arbeit in der JVA sofort im Anschluß wirksam fortzusetzen.

Es besteht sowohl ein Rechtsanspruch auf Unterkunft sowie ein Rechtsanspruch auf soziale Betreuung. Tatsächlich wird dies, durch JVA bedingte Abläufe, für die Gefangenen außer Kraft gesetzt. Als Fazit halten wir die Erarbeitung eines sogenannten „Laufzettels“ für die Gefangenen vor Ablauf der Haftzeit dringend erforderlich, um den Weg in die Freiheit optimal vorzubereiten, damit unter anderem die oben genannten – aus unserer Sicht für das Gelingen der Resozialisierung entscheidenden – Punkte entsprechend vor Entlassung geklärt sind.

Leipzig, 23. Januar 2018

Bildquelle: André Borris Moussa Schmitz

Update: Zu dem Thema „Standards für die Haftentlassung“ wurde durch die Abgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) eine Kleine Anfrage eingereicht – die Antwort ist inzwischen online: http://edas.landtag.sachsen.de//viewer.aspx?dok_nr=12175&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1&dok_id=undefined

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Texte und Artikel geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

  

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