Im Knast geht es oft um Geld – um wenig Geld

Neues Deutschland

Das Buch »Ökonomische Faktoren in der Straffälligenhilfe« zeigt warum es ehemalige Gefangene nach der Haftentlassung meist schwer haben

von Eckart Roloff

Ein neues Buch fordert Aufklärung über die wirtschaftliche Not vieler Häftlinge und die zweite Strafe nach der Haft.

Lange, lange dauerte die Debatte um den Mindestlohn von 8,50 Euro. Und um Ausnahmen, etwa für Praktikanten und Rentner. Von denen aber, die für einen Lohn von weit unter 8,50 Euro arbeiten müssen, war nie die Rede: von den Häftlingen. Für sie gilt eine spezielle Regel des Strafvollzugsgesetzes: »Das Arbeitsentgelt orientiert sich noch immer an neun Prozent des Durchschnittseinkommens der Gesetzlichen Rentenversicherung – und längst nicht alle haben Arbeit.«

Neun Prozent des Durchschnitts, das ist oft nur rund ein Euro pro Stunde. Nachlesen lässt sich das in dem aufschlussreichen Buch »Ökonomische Faktoren in der Straffälligenhilfe«. Aus mehreren Blickwinkeln stellt es wirtschaftliche Probleme der Gefangenen dar. Sie belasten nicht nur die Haftzeit, sondern sehr oft noch (und härter) die Jahre danach. Der Grund ist einfach: Von dem Geld, das Häftlinge viele Jahre lang verdienten, haben sie keine Chance, ein neues Leben zu starten. Viele müssen erst einmal eine Wohnung finden und die Miete bezahlen, dazu kommen Versicherungen und der Lebensunterhalt. Oft sind noch Schulden zu begleichen, meist für Anwälte, Gerichte, Gutachter, Geldstrafen und Unterhaltspflichten, auch für Opfer.

Wie können die, die aus der Haft entlassen wurden, mit all dem zurechtkommen, wenn sie kaum wissen, wie man mit einem Smartphone umgeht, mit Ämtern und neuen Gesetzen? Wer hilft ihnen, wer zeigt Wege aus den Schulden, wer vermittelt eine passende Arbeitsstelle? Wer bringt ihnen vernünftiges Einkaufen bei? Das alles ist notwendig, damit die vielbeschworene Resozialisierung gelingt. In mehreren Kapiteln erfährt man, welche Unterstützung es dafür gibt, teils vom Staat, teils von Ehrenamtlichen. Rasch wird erkennbar, dass fundierte Hilfe längst nicht immer sichergestellt ist. Es sind neben einigen Behörden vor allem die Kirchen sowie Sozialarbeiter und Psychologen, die sich hier engagieren, ebenso die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe.

Dabei geht es auch um die Frage, ob eine teilprivatisierte Haftanstalt wie die im hessischen Hünfeld ein gutes Modell sein kann. Durchgesetzt hat das die frühere schwarz-gelbe Landesregierung. Der Mitherausgeber Karl Heinrich Schäfer, zugleich Autor eines Kapitels zu diesem Thema, verneint dies klar. Als früherer Direktor beim Hessischen Rechnungshof hat er das kompetent überprüft. Wenn à la Hünfeld Leistungen wie Arbeitstherapie, medizinische und psychologische Versorgung, Einkauf, Weiterbildung und Sport an private und profitorientierte Betreiber vergeben werden, dann weiß man, was meist die Folgen sind. Die bösen Vorgänge in Flüchtlingsheimen haben das gerade erst belegt.

Ein fundamentales Dilemma liegt darin, dass Gefangene nicht in die Rentenversicherung einzahlen dürfen. Ihnen ist es unmöglich, für das Alter Ansprüche aufzubauen. Seit bald 40 Jahren versprechen Bundesregierungen aller Art, das zu beenden. Geschehen ist nichts. Martin Singe erklärt, welche gravierenden Folgen dieses Versäumnis hat. Es führt zu Altersarmut und einer doppelten Bestrafung nach dem Knast.

Nicht erwähnt werden die vielen (und guten) Produkte, die Häftlinge etwa in Schreinereien, Schlossereien und Druckereien herstellen; manches davon kann jedermann kaufen, wie man unter www.knastladen.de sehen kann. Das hilft den Häftlingen trotz des viel zu niedrigen Lohnes.

Karl Heinrich Schäfer und Helmut Bunde (Hrsg.)
Ökonomische Faktoren in der Straffälligenhilfe.
Wirtschaftlichkeit contra Resozialisierung?
Lambertus Verlag, Freiburg 2014, 150 S., 18,90 Euro

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