Die GG/BO unterbreitet dem Justizsenat ein Übernahmeangebot für die Druckerei der JVA Tegel
Die Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO) besteht seit Ende Mai dieses Jahres. In dieser Zeit haben wir uns von der JVA Tegel ausgehend auf weitere Haftanstalten ausgedehnt (Plötzensee, Willich, Aschaffenburg, Burg, Dresden) und unsere Mitgliederbasis stetig erhöht.
Vor den Anstaltstoren unterstützen uns Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen (Basis-)Gewerkschaften, die sich u.a. auch aktiv an der Herstellung und dem Vertrieb der Auftaktnummer unserer Gefangenen-Gewerkschafts-Zeitung „outbreak“ beteiligten.
Zu unserer übergeordneten Zielsetzung der vollen Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern gehört gleichfalls die Verantwortungsübernahme in Einzelbereichen, um unseren Worten Taten folgen zu lassen.
Nun steht ein weiterer Schritt als GG/BO konkret an: Die Projekt-Idee, JVA-Betriebe in Gewerkschaftshand zu überführen, scheint auf den ersten Blick sicherlich illusionär. Dennoch wollen wir der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (SVW) in Berlin ein freundliches Übernahmeangebot unterbreiten. Um die Druckerei der JVA Tegel aus der chronischen Defizit-Klemme zu holen, erklärt sich die GG/BO bereit, den Betrieb auf der Grundlage eines Pachtvertrags zu übernehmen. (Über eine weitergehende Sozialisierung bspw. als Betriebs-Genossenschaft wäre in eventuellen Nachverhandlungen zu beraten.)
Nach den Bilanzen der Haushaltspläne des Landes Berlin der vergangenen drei Jahre ist die ökonomische und finanzielle Situation der Druckerei der JVA Tegel desolat. Die offiziellen Zahlen belegen das eindrucksvoll:
Gesamt-Einnahmen | Gesamt-Ausgaben | |
2012 | 55.000,- € | 121.000,- € |
2013 | 10.000,- € | 111.000,- € |
2014 | 10.000,- € | 101.000,- € |
Unser Angebot zielt kurzfristig darauf ab, die JVA von einem „finanziellen Ballast“ zu befreien. Da aufgrund der vielbeschworenen Haushaltskonsolidierung überall Einsparpotentiale gesucht werden, gehen wir davon aus, dass unser Übernahmeangebot auf ein Interesse seitens der SVW stoßen wird.
Wir geben in diesem Zusammenhang eine Garantie für die Weiterbeschäftigung der derzeit in der JVA-Druckerei arbeitenden Gefangenen ab und werden die betrieblichen Voraussetzungen dafür schaffen, um zukünftig Drucker auszubilden.
Im Falle eines Vertragsabschlusses der GG/BO mit der SVW würden wir einen jährlichen Pachtzins von 1.000,- Euro an die SVW abführen, um die Druckerei zu betreiben. (Mit unserem seriösen Angebot überbieten wir um das Tausendfache die gängige Geschäftspraxis, Unternehmen für 1,- symbolischen Euro zu übernehmen.) Weitere Aspekte wären in einem im Detail auszuarbeiten Pachtvertrag festzuhalten. U.a. ist die sog. Fruchtziehung zu regeln, d.h. der Erhalt der Erträge aus den eingehenden Druck-Aufträgen.
In der Druckerei auf dem Gelände der JVA Tegel könnten dann – neben Druck-Aufträgen von außen – unsere GG/BO-Materialien (z.B. unser Sprachrohr „outbreak“) hergestellt werden.
Unser (mittelfristiges) Ziel als GG/BO ist es, aufzuzeigen, dass gewerkschaftskontrollierte Betriebe nicht nur kostendeckend produzieren können, sondern auch soziale Rechte und Standards von beschäftigten Kolleginnen und Kollegen in die Praxis umsetzen. Hierzu zählen selbstverständlich die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns und die Einbeziehung der Inhaftierten in die Rentenversicherung.
Generell gilt, dass Beschäftigte, die unmittelbar im Produktionsprozess stecken, den bestmöglichen Einblick über die Bedingungen im Betrieb haben. Die Gründung von Kooperativen, in denen eine Arbeiterselbstkontrolle vorherrscht, ist ein Modell, um insbesondere auch hinter Gittern in der Arbeitswelt der JVA-Betriebe einen solidarischen und kollegialen Umgang einziehen zu lassen. Eigenverantwortlichkeit im Arbeitsprozess und das Vorfinden guter Arbeitsverhältnisse bilden die Voraussetzung, damit arbeitsorganisatorische Abläufe zur Zufriedenheit aller Beschäftigten geregelt werden können.
Wir wissen, unser (basis-)gewerkschaftliches Engagement steckt noch in den Kinderschuhen. Die GG/BO wird mit der Projekt-Idee der Druckerei-Übernahme aber ihrem erklärten Anspruch gerecht, im Knast für die Prinzipien der Solidarität, Autonomie und Reform einzutreten. Wir halten fest: Mit der Pachtung der JVA-Druckerei in Tegel durch die GG/BO hätte die Billiglöhnerei und das Sozialdumping beispielhaft in einem Betrieb als Pilotprojekt ein Ende. Wer will sich dieser Absicht verweigern?
Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
gab es auf das angebot auch eine antwort ?