Der Mindestlohn, der in Deutschland am 1. Januar 2015 eingeführt wurde, hat erste Neider: Häftlinge, die zur Arbeit im Gefängnis verpflichtet sind, fordern dieselbe Bezahlung.
Die deutschen Häftlinge fühlen sich hintergangen: Sie sind wie Studenten, Lehrlinge und Langzeitarbeitslose von der Regelung ausgenommen, die seit dem 1. Januar 2015 ein Mindestgehalt von 8,50 / Stunde (brutto) vorsieht. Im Gefängnis ist eine Arbeitsstunde laut Süddeutscher Zeitung zwischen sieben und sechszehn Euro (brutto) wert – ein Gehalt, das die Gefangenen im Vergleich zum neu eingeführten Mindestlohn als „lächerlich“ bezeichnen. In dreizehn der sechszehn deutschen Bundesländer sind Häftlinge verpflichtet, während des Strafvollzugs zu arbeiten.
Knast-Gewerkschaft
Im Mai 2014 schlossen sich mehrere Gefängnisinsassen in Berlin-Tegel zur Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GGBO) zusammen. Inzwischen hat die inoffizielle Knast-Gewerkschaft über 400 Mitglieder in rund dreißig Haftanstalten der ganzen Republik. Sie wollen vor allem „gegen Ausbeutung kämpfen“, betont der Gefangene André Schmitz, der wegen Drogenbesitzes einsitzt und die Arbeit der Organisation in Westdeutschland koordiniert. Er fordert einen Mindestlohn und den Anspruch auf Altersvorsorge für arbeitende Häftlinge. Diesen haben in Deutschland nur „freiwillig“ berufstätige Menschen.
Doppelt bestraft
Dass sich Gefangene mit langen Haftstrafen bei ihrer Freilassung doppelt bestraft fühlen, erklärt Bernd Maelicke, Strafrechtsexperte an der Universität Lüneburg: „Bei lebenslang sind das schnell mal 15 Jahre, in denen ein Gefangener arbeitet, aber nichts für seine Rentenkasse zusammenkommt. Da ist Altersarmut zwangsläufige Folge.“
Der Zeitung Die Welt zufolge werden die Forderungen der GGBO von den deutschen Justizministerien keineswegs ernstgenommen. Beate Peters, Leiterin der JVA Willich 1, spricht dem Verein jede Legitimität ab. Die Häftlinge führten unter Aufsicht „einfache Aufgaben“ aus, seien jedoch keine Arbeitnehmer.