GG/BO aus JVA Chemnitz fordert Transparenz und Zugang zu Informationen

Folgender Beitrag wurde von einer Gefangenen-Gewerkschafterin aus der JVA Chemnitz schon am 10. März verfasst und anschließend auf einem Solidaritätsblog veröffentlicht. Wir geben ihn im Folgenden wieder.

GG/BO Chemnitz: Corona in Haft?! Was nun – was tun?

Wir hätten gerne eine Information, wie die JVA bei einer möglichen Erkrankung umgeht. Es gibt selten einen Tag, wo keine Frau inhaftiert wird. Wer versichert uns, dass sich Person X NICHT angesteckt hat? Ist eine Quarantäne-Station geplant, wo der Zugang (neue Inhaftierte) vorerst untergebracht werden, bis eine Erkrankung definitiv ausgeschlossen werden kann. Die Justiz hat eine Informations- und Fürsorgepflicht. Soweit, so gut, nur leider scheitert es an der Umsetzung! Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass wir mit den Ängsten, durch mangelnde Aufklärung allein gelassen werden. Wie soll man, durch ein derartiges Verhalten ein Gespür von Sicherheit verspüren, das ist sicher unmöglich. Man steht am Morgen auf, schaut TV oder hört Radio und es ist eigentlich egal auf welchen Sender man schaltet, Corona ist überall. Zwei Beispiele aus vergangenen Tagen 2019/2020, welche aufzeigen, dass Prävention und Aufklärung nur im Kreise der privilegierten Gesellschaft, der Blauhemdem stattfindet. Im vergangen Jahr 2019, waren es die Tuberkulose Fälle in der JVA Chemnitz. Wo wir seitens der JVA im Dunkeln gelassen und nicht im Geringsten informiert wurden. Damit meinen wir nicht, dass gegen die Schweigepflicht verstoßen werden soll. Manchmal sind es dir beruhigende Worte, die ein Gefühl von Sicherheit geben. Wo man zum Ausdruck bringt: keine Angst, wie haben alles unter Kontrolle! Oder auch das Gegenteil möchte man gerne mitgeteilt bekommen, keine Details, aber ein Hinweis, wo es jetzt am Sichersten wäre. Empathie wäre ein Vorteil. Unser Live-Ticker heißt hier Buschfunk. Dass wenn überhaupt 20% der Wahrheit ausspuckt. Als ich die Reaktion auf meinen Artikel vom Justizministerium erfahren habe, was ich schlicht weg sauer. Denn wir wussten von hinter den Mauern von drei Fällen, was auch schon viel zu viel ist! Durch mangelnden Informationsfluss stärkt es nicht das Vertrauen. Nun durch die Stellungsnahme des Justizministeriums erfahren wir, dass es sogar acht bestätigte Fälle in der JVA Chemnitz waren. Tuberkulose ist eine hoch ansteckende und gefährliche Lungenerkrankung.

In den vergangenen zwei Wochen wurde eine Mitgefangene unter Quarantäne gehalten, abgeschottet von allen, Essen bekam sie auf Plastikgeschirr. Auf Grund der rasanten Geschwindigkeit des Verbreitens von Corona, blieb natürlich die Angst, die Sorge, der Verdacht, dass es sich eben dabei um Corona handelt.

Durch den Buschfunk erfuhren wir, dass der Verdacht im Raum stand, dass sie an einer hochansteckenden Variante von Hepatitis erkrankt sei. Dieser Verdacht hat sich zum Glück nicht bestätigt. Aber was wäre wenn?!Wieviel hätte sie schon angesteckt? Denn keiner der Menschen, welche in direkten Kontakt mit ihr standen, wurden getestet oder gar abgesondert. Da stellt man sich die Frage warum?! Bezüglich dem aktuellen Thema fehlt uns auch der mediale Raum, wo man sich erkundigen könnte. So dass man jede menge Fragen hat – aber wer gibt uns die Antworten? Die Justiz sicher nicht.

Fragen wie:

  • Wann werden wir informiert?
  • Werden wir überhaupt informiert?
  • Wie wäre eine Quarantäne in Haft umzusetzen? (Bei maximal 5 Schwestern und einem Arzt tagsüber, auf ca. 270 Gefangene)
  • Wie soll man sich schützen, wenn man tagtäglich von mehreren Leuten umgeben ist, welche von Außerhalb kommen. Seien es die Bediensteten, die vielen externen Mitabrbeiter oder auch Besucher
  • Ab wann und gibt es überhaupt einen Aufnahmestopp in der JVA?
  • Werden „Neuankömmlinge“ überhaupt auf Corona getestet? Ist die erste Zeit abgesondert von den Anderen?
  • Wenn man Symptome hat und eventuell doch ein Test gemacht werden würde, wie lange würde es dauern, bis das Testergebnis da ist? (Bei der Gefangenen bzgl. Hepatitis hat es 14 Tage gedauert)
  • Was ist wenn eine Epidemie/Pandemie in Haft ausbricht?
  • Ist man auf solch einen Fall vorbereitet? Hat die JVA überhaupt einen Plan für den Fall, dass es einen von uns trifft?
  • Wie wird dann mit uns umgegangen? Werden wir „nur“ in den Haftraum verbracht, sind wir zu entlassen oder in eine Klinik zu bringen?

Fragen über Fragen.

Die JVA hat doch die Pflicht, schädlichen Folgen entgegenzuwirken, aber wie verhält es sich im konkreten Fall – Corona?!

Entspricht es der Fürsorge uns im Ungewissen zu lassen, weiter zu machen, als würde es uns nicht treffen „können“, unsere Ängste und Sorgen nicht ernst zu nehmen? Ich bezweifle dies doch sehr.

Sollte eine Fürsorgepflicht nicht vielleicht einen umfassenderen Informationsfluss vorweg gehen, da man auch weiß, wie die Frauen in der JVA sind. Der Buschfunk Liveticker entspricht wenn überhaupt 20% der Wahrheit und nicht der Buschfunk sollte uns über derartiges informieren mit Halbwissen, sondern die Justiz mit 100% Wahrheitsgehalt.

Der Psyche würde es sehr viel besser gehen, wenn man nachts sich nicht den Kopf zerbrechen muss, die Kinder und sich in Sicherheit weiß.

Der Schlafentzug, welcher dadurch entsteht, führt dazu, dass man irgendwann auf dem Zahnfleisch kriecht. Antworten und das Gefühl von Sicherheit bleiben dennoch aus.

Ich/wir Gefangenen der JVA Chemnitz rufen daher dazu auf: Werte Justiz, kommt euren Pflichten nach und informiert uns! Gebt uns Antworten und das Gefühl der Sicherheit.

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

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