GG/BO Soligruppe Nürnberg: Das Bündnis Frieden in Kurdistan Nürnberg informierte mit einer Pressemitteilung über die Inhaftierung von Murat Akgül in JVA Nürnberg.
Murat wurde am 28.10. wegen angeblicher Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen. Ihm wird vorgeworfen illegal wieder eingereist zu sein. Dass jemanden der gerade erst nach Deutschland geflohen ist Fluchtgefahr vorgeworfen wird, wirkt einigermaßen absurd.
Seit 31. Oktober befindet er sich nun aus Protest gegen die Inhaftierung im Hungerstreik. Die GG/BO Soligruppe Nürnberg erklärt sich solidarisch und fordert die Aufhebung der Untersuchungshaft.
Pressemitteilung des Bündnis Frieden in Kurdistan:
Murat Akgül seit 28.10.2019 in Untersuchungshaft
Über Murat Akgül wurde bereits mehrfach berichtet.
Vorgeschichte:
Murat Akgül: Kurde mit türkischer Staatsangehörigkeit und deutscher Niederlassungserlaubnis, seit 30 Jahren in Deutschland, Vater von 4 Kindern, davon 2 mit dt. Staatsangehörigkeit, feste Arbeitsstelle, Wohneigentum. 2018 Anzeige wegen Verstoß gegen das Vereinsgesetz nach Zeigen der YPG-Fahne auf einer Demonstration. Diese
Anzeige wurde fallengelassen, aber die Polizei informiert bei einer Anzeige gegenüber einem Ausländer automatisch die Ausländerbehörde und den Staatsschutz. Es folgte das übliche Verfahren bei Menschen mit kurdischer Identität: Sicherheitsgespräch und Abruf von Informationen des Verfassungsschutzes. Ergebnis: Durch Herrn Akgüls Teilnahme
an pro-kurdischen Demonstrationen sowie der Aufenthalt in den Räumlichkeiten des kurdischen Vereins in Nürnberg lasse darauf schließen, die Sicherheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung seien gefährdet.
Dies hatte zur Folge: Ausweisungsverfügung, Wiedereinreiseverbot von 10 Jahren, Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung auf das Stadtgebiet Nürnbergs, was Herrn Akgüls Berufstätigkeit mit Einsätzen außerhalb
der Stadt unmöglich machte. Bei Verstoß gegen die Auflagen wurde ein Zwangsgeld angedroht.
Ende Mai 2019 wurde Herr Akgül von 8 Polizeibeamten aus seiner Wohnung abgeholt und in ein Flugzeug nach Istanbul gesetzt, denn: Obwohl über die Klage gegen das Ausweisungsverfahren noch nicht entschieden wurde, ist eine Abschiebung rechtlich möglich.
In der Türkei wurde er sofort verhört und nur aufgrund der Tatsache, dass den türkischen Sicherheitsbeamten noch keine Akten vorlagen, kam er – als türkeikritischer Kurde – nicht sofort in Haft. Als man ihm sagte, er würde beobachtet werden, tauchte Herr Akgül unter und organisierte mittels Schlepper seine Rückreise nach Deutschland.
Unter lebensgefährlichen Umständen gelangte er über die sogenannte Balkanroute im Juli 2019 wieder in die Bundesrepublik und beantragte sofort Asyl. Aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf haben anwesende
Polizeibeamte Herrn Akgül festgehalten und in Gewahrsam genommen. Sie teilten ihm mit, es gäbe ja eine Einreisesperre und deswegen käme er in Abschiebehaft. Die Staatsanwaltschaft sah damals jedoch keinen Grund
dafür. Die Polizisten teilten ihm dann auch noch mit, ihn erwarte ein Strafverfahren wegen illegaler Einreise. Nur durch rasches Eingreifen der Anwälte und Unterstützung durch die Öffentlichkeit konnte dies verhindert werden. Daraufhin wurde er zunächst ins Ankerzentrum nach Donauwörth, dann nach Augsburg verlegt. Nachdem das Bundesamt zunächst Herrn Akgül nach Slowenien, wo er Fingerabdrücke hinterlassen hatte, überstellen wollte, folgte das VG Augsburg der Argumentation des Anwalts, wonach Deutschland für die Prüfung seines Asylantrags zuständig ist.
Am 28.10. wurde Herr Akgül früh morgens in der Gemeinschaftsunterkunft in Augsburg verhaftet und in Handschellen zur Eröffnung des Haftbefehls beim Amtsgericht Fürth gebracht. Der Vorwurf: Unerlaubte Einreise trotz Aufenthaltsverbot nach Ausweisung. Als Grund für die Anordnung von Untersuchungshaft wurde Fluchtgefahr genannt, da wegen unerlaubtem Aufenthalt eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren droht. Der ermittelnde Richter Riedel argumentierte u.a. mit den Gründen der Ausweisung. Diese sei aufgrund einer angeblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die freiheitlich-demokratische Grundordnung erfolgt. Konkretisiert wurde der Vorwurf mit einer angeblichen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, weshalb auch die höchst mögliche Wiedereinreisesperre von 10 Jahren verfügt wurde.
Nach der Anhörung vor dem Fürther Amtsgericht wurde Herr Akgül in die JVA Nürnberg gebracht, wo er sich nun in Untersuchungshaft befindet.
Der Anwalt Yunus Ziyal kündigte an, Haftbeschwerde einzulegen. Das Landgericht soll prüfen, ob ein dringender Tatverdacht sowie als Haftgrund Fluchtgefahr vorliegen. Nach einer ersten Einschätzung der neuen Entwicklung deutet vieles darauf hin, dass die Inhaftierung von
Herrn Akgül eine Art „Racheaktion“ für das verlorene Dublin-Verfahren ist, denn der Haftbefehl wurde zwei Tage nach dieser Entscheidung ausgestellt. Der Haftgrund „Fluchtgefahr“ erscheint in diesem Zusammenhang absurd. Wohin sollte Herr Akgül fliehen wollen? Und warum war der Haftbefehl die Monate zuvor (während derer Herr Akgül von dem Strafverfahren wusste) nicht notwendig?
Herr Akgül selbst versteht die Entscheidung überhaupt nicht. Er ist empört und wütend über die Unterstellung, er würde untertauchen und verkündete noch bei der Haftanhörung, dass er seit Montag morgen nichts gegessen habe und sich ab sofort im Hungerstreik befände.
Die Familie und der Unterstützerkreis sind sich einig, dass hier versucht wird, Kurden, die sich in Deutschland politisch artikulieren, einzuschüchtern. Murat Akgül ist in der kurdischen Community durch vielfältiges kulturelles und soziales Engagement sehr bekannt. Das Vorgehen gegen eine – wahrscheinlich eher zufällig herausgegriffene – Person soll wohl Signal an alle Kurd*innen sein, sich mit Protesten gegen die türkische Aggression zurückzuhalten.
Oktober 2019 – gez. Bündnis für Frieden in Kurdistan / Nürnberg
Für Rückfragen stehen wir unter Tel. +49 152 13803669 zur Verfügung.
Mail: buendnis.frieden.in.kurdistan@gmail.com
Facebook: www.facebook.com/FriedenInKurdistan
Nürnberg 3. November 2019
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.
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