GG/BO Solidaritätsgruppen Berlin, Jena, Köln, Leipzig, Rosenheim: Wir, die Soligruppen der Gefangenen-Gewerkschaft, freuen uns, dass von der Justizministerkonferenz nun endlich der Einbezug der Gefangenen in die Rentenversicherung beschlossen worden ist. Allerdings kann diese Änderung nur einen ersten symbolischen Schritt in Richtung grundlegender Verbesserungen zugunsten der Gefangenen darstellen.
Schon das Strafvollzugsgesetz des Bundes von 1977 sah einen Einbezug in die Rentenversicherung für alle arbeitenden Gefangenen vor. Die Umsetzung scheiterte jedoch an einem Vorbehalt der Länder. Dementsprechend wurde das Thema seit über 40 Jahren immer wieder von der Tagesordnung der Justizministerkonferenz gestrichen oder die Thematik zeitlich verschoben. Offensichtlich brauchte es selbstorganisierte Initiativen von den Betroffenen und externe Organisationen, um die soziale Frage hinter Gittern zu stellen und zu beantworten.
So steht das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. seit 2011 für den Einbezug in die Rentenversicherung für alle gefangenen Arbeiter*innen ein. Dass sich im Juni 2015 die Justizministerkonferenz endlich mit den Frage nach dem Einbezug in die Rentenversicherung beschäftigte, ist u.a. der Arbeit dieses Komitees zu verdanken.
Auch die „Initative Nachrichtenaufklärung“, die auf Themen aufmerksam macht, die von den Massenmedien vernachlässigt werden, platzierte das Thema „Keine Rente für arbeitende Gefangene“ im Jahr 2012 auf Platz 1 der Top 10 .
Die Gründung der Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO), am 21.05.2014 in der JVA Tegel, trug dazu bei, dass zuständige Ämter und Behörden sich in der Frage bedrängt fühlten und dementsprechend zum Handeln gezwungen wurden.
Die drei Kernziele der GG/BO sind Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern, gesetzlicher Mindestlohn und voller Einbezug in die Sozialversicherung. Zur Sozialversicherung zählt die GG/BO neben der Rentenversicherung jedoch auch die Krankenversicherung.
Weil in sozialen Netzwerken gerade ein „Erfolg der GG/BO“ gefeiert wird, sei an dieser Stelle betont, dass die Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung vielen verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen und nicht zuletzt verantwortungsbewussten Medienmacher*innen mit zu verdanken ist.
Der Kampf um die Rechte von Gefangenen ist mit der Einbeziehung in die Rentenversicherung jedoch nicht vorbei. Bis heute wird der GG/BO, bzw. jedem gewerkschaftlichem Zusammenschluss hinter Gittern, mit Verweis auf den fehlenden „Arbeitnehmer*innenstatus“ die Gewerkschaftsfähigkeit abgesprochen. Die Begründung dafür lautet, dass sich Menschen nicht in einem „Arbeitsverhältnis“, sondern einem „nicht tariffähigen Sonderstatus“ befänden.
Der Kampf um die Kernziele „Gewerkschaftfreiheit“, „Mindestlohn“ und „Sozialversicherung“ wird damit nicht nur behindert, sondern tatsächlich auch kriminalisiert. „Dabei sollten die letzten vier Jahre GG/BO eindrucksvoll gezeigt haben, dass Inhaftiere sehr wohl dazu in der Lage sind am demokratischen Willensbildungsprozess teilzuhaben und ihn auch erfolgreich mitzugestalten“, so Martina Franke, Sprecherin der GG/BO Soligruppe Berlin.
Abseits von zahlreichen und unnötigen „Justizskandalen“ haben selbstorganisierte Gefangene zahlreiche Erfolge realisiert. Als Beispiele seien marktgerechte Telefoniepreise, Einkaufspreise, bessere ärztliche Versorgung, familiengerechte Besuche und nicht zuletzt die unzählig erwirkten Beschlüsse vor Gericht erwähnt. Trotz dessen ist „die Dunkelziffer von staatlichen Rechtsbrüchen hinter Gittern, angesichts des prekären Organisierungsgrades der Gefangenen, immer noch sehr hoch“, ergänzt Manuel Matzke, Sprecher der GG/BO JVA Zeithain.
Thomas Brockmann, ehemaliger Gefangener und nun Aktivist in der GG/BO Soligruppe Rosenheim, konstatiert: „Die Anerkennung des Rentenanspruchs durch die Justizminister, ist ein großer Schritt Richtung ‚Anerkennung des Arbeitnehmer*innenstatus‘ mit vollem Recht auf gewerkschaftliche Organisierung hinter Gittern – mit oder ohne den Mantel der „GG/BO““.
Die soziale Frage hinter Gittern ist jedoch, trotz des Beschlusses der Justizministerkonferenz, noch nicht beantwortet. Der Einbezug in die Rentenversicherung bleibt vorerst nur symbolisch, wenn die arbeitenden Gefangenen keinen Mindestlohn erhalten und die Arbeit nicht nach Tarifen entlohnt wird. Ebenfalls müssen Gefangene in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden – vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Gefangene immer wieder die mangelnde bis miserable medizinische Versorgung im Knast kritisieren. Auch die noch immer in 12 von 16 Bundesländern geltende Zwangsarbeit, also die Verpflichtung zu arbeiten, gehört abgeschafft.
Schlussendlich fordern wir, Soligruppen der Gefangenen-Gewerkschaft, dass diese und andere Forderungen der GG/BO umgesetzt werden und die GG/BO als Gewerkschaft für alle Gefangenen anerkannt wird.
Für die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern und gegen die Kriminalisierung und Ausbeutung der engagierten Gefangenen!
Oslo, 12. Juni 2018
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.
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