GG/BO Soligruppe Leipzig: Am 11.01.2018 strahlte die ARD den Monitor-Beitrag „Ersatzfreiheitsstrafen: ungerecht, sinnlos und teuer“ aus. Bereits ein Jahr vorher, kam es im Rahmen eines bundesweiten Treffens der GG/BO in Berlin zu einem Strafzettel i.H.v. 15 €. Wir haben es auf einen Test ankommen lassen und für das Parkvergehen nicht gezahlt. Dafür haben wir eine „Ladung zum Antritt der Erzwingungshaft“ erhalten. Nun nutzen wir den Haftantritt dazu, auf die Forderungen zur „Streichung von Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafen“ hinzuweisen.
Die ebenfalls im Monitorbeitrag erwähnte Arbeitsgruppe von Bund und Ländern unter Leitung des Nordrhein Westfälischen Justizministers Armin Laschet beschäftigt sich lediglich mit der Entkriminalisierung von Beförderungserschleichung. Dass das zu wenig ist, finden nicht nur wir.
Neben breiteren Diskussionen um Alternativen zum Gefängnis, wie sie der ehemalige Anstaltsleiter Dr. Thomas Galli anstößt, schreitet der Kriminologe und Rechtssoziologe Prof. Dr. Johannes Feest bereits mit kleinen Schritten in die Tat. Aus wissenschaftlicher Perspektive plädiert er klar für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen und reichte dazu im Jahr 2016 die Petition „Geldstrafe – Abschaffung des § 43 Strafgesetzbuch (Ersatzfreiheitsstrafe anstelle uneinbringlicher Geldstrafe)“ beim Deutschen Bundestag ein. Am 22.06.2017 hat der Bundestag die Petition abschließend beraten und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Anliegen nicht entsprochen werden kann.
Als Begründung hat sich in der Öffentlichkeit manifestiert, dass die Ersatzfreiheitsstrafe das „Rückgrat der Geldstrafe“ sei. Nach Feest „handelt es sich jedoch um eine völlig ungeprüfte Alltagstheorie. Diese wird jetzt auch von dem praktisch wichtigsten Kommentar zum Strafgesetzbuch bezweifelt, wo es zur Ersatzfreiheitsstrafe heißt „dass sie das‚ Rückgrat der Geldstrafe sei, kann angesichts vieler Ungerechtigkeiten der Anwendungspraxis und einer mangelhaften Einpassung in das Strafrechtssystem […] bezweifelt werden“ (Fischer 2015, 360).“ Der Vortrag von Prof. Dr. Johannes Feest „Strafvollzug und Resozialisierung – ein Paradoxon?!“ steht als Textdokument und Video zur Verfügung.
Allein unter ökonomischen Aspekten wären Beratungsangebote oder Sozialstunden an dieser Stelle effektiver. Im Fall unseres 15 € Knöllchens gab es aus Berlin weder eine Prüfung der finanziellen Verhältnisse, noch das Angebot Arbeitsstunden abzuleisten – somit entstehen dem sächsischen Freistaat schätzungsweise 150 Euro an Kosten für den einen Hafttag. Aus der Beratungspraxis der GG/BO Soligruppe Leipzig, können wir von ähnlichen Fällen, mit weitaus höheren Beträgen und Kosten, berichten. Zu selten kommen zu uns zahlungsfähige Menschen, denn die bezahlen i. d. R. sobald Sanktionen (Haft/Pfändung) drohen. „Wir finden, wer nicht zahlen kann, sollte auch nicht bestraft werden“, so Sarah Rosenberg von der GG/BO.
Nach den Monitor Recherchen entstehen durch die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen 200 Mio. Euro jährlich. Angesichts der anstehenden Landtagswahlen in mehreren Bundesländern und der bundesweit proklamierten „Personalnot im Gefängnis“ wollen wir das Thema Ersatzfreiheitsstrafe mit einer Aktionsreihe „In dubio pro libertate“ thematisieren. Die Inhaftierung bildet dabei die Auftaktaktion. „In dubio pro libertate“ ist ein Rechtsgrundsatz des Strafrechtslehrers und Bundesverfassungsrichters Winfried Hassemer, der ebenfalls nach einem wissenschaftlich „kontrollierten Experiment des Gesetzgebers“ im Rahmen der praktizierten Ersatzfreiheitsstrafe verlangte (Hassemer 1990, 299).
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist eben nicht das „Rückgrat der Geldstrafe“, sie ist wie Monitor zurecht konstatierte „ungerecht, sinnlos und teuer“. „Jedes Bundesland ist dazu in der Lage einen, wissenschaftlich begleiteten, Modellversuch zur Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe durch eine Vorlage an den Bundesrat anzuschieben. Nun liegt es an der Politik Abhilfe zu schaffen“, so Marco Bras dos Santos von der GG/BO.
Haftantritt ist Montag der 1. Oktober 2018, 12:30 Uhr in der JVA Leipzig, Leinestraße 111, 04279 Leipzig.
Leipzig, 1. Oktober 2018
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.
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