Kurzbericht von der GG/BO-Veranstaltung am 23. Januar 2016 auf Einladung des DGB-Kartells Lehrte (Niedersachsen)
Auf der Veranstaltung des DGB Lehrte und des ver.di-Ortsvereins Lehrte/Sehnde zur Vorstellung der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) nahmen am Vormittag des 23. Januars etwa 20 Kolleg_innen teil. Die interessierten Gewerkschafter_innen folgten dem Bericht zweier GG/BOler_innen, die die Ursprungsidee einer basisnahen gewerkschaftlichen Initiative aus der Haft heraus, den organisatorischen Rahmen, die inhaltlichen Leitlinien und die praktischen Projekte der GG/BO vortrugen.
Unter den Besucher_innen war (mutmaßlich) ein Vertreter von ver.di-Justizvollzug, der sich allerdings mit keiner Silbe in die lebhafte Diskussion um die Gewerkschaftspolitik der GG/BO einbrachte. Hintergrund dieses Besuchs dürfte die Kontroverse um das Verhältnis zur GG/BO gewesen sein. Der Vorsitzende der Bundesfachkommission ver.di-Justizvollzug, Andreas Schürholz, lieferte jüngst in einem Radiobeitrag auf Deutschlandfunk (DLF) eine gewerkschaftspolitische Bankrotterklärung, indem er die bediensteten ver.di-Mitglieder in den Haftanstalten de facto als Vertreter_innen des repressiven Staatsapparates darstellte.
Des Weiteren nahm ein Unternehmerehepaar aus der Verpackungsbranche teil, welches kenntnisreich über die Vertragsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse in den so genannten Unternehmerbetrieben in niedersächsischen JVA´s berichten konnten. Beide votierten ausdrücklich für den Mindestlohn und die Sozialversicherung hinter Gittern, um der Wettbewerbsverzerrung aufgrund der sozialabgabenfreien Billiglöhnerei in den JVA-Betrieben entgegenzuwirken.
Pikant waren die Ausführungen des einladenden ver.di-Vorsitzenden des OV Lehrte/Sehnde, Reinhard Nold, wonach die Veranstaltung zur GG/BO ver.di-intern bereits im Vorfeld hohe Wellen geschlagen hat. So berichtete der Kollege, dass knapp ein Dutzend Anrufe haupt- und ehrenamtlicher ver.di-Mitglieder bis zum ver.di-Bundesvorstand bei ihm eingingen, um u.a. darauf hinzuwirken, dass keine (voreiligen) gegenseitigen Solidaritätsbekundungen bzw. Kooperationsbeschlüsse zwischen ver.di-Gliederungen und der GG/BO verlautbart werden.
Einige Teil-Ergebnisse der Veranstaltung lassen sich festhalten: Einhellig wurde von den Diskutant_innen aus den DGB-Einzelgewerkschaften betont, dass die GG/BO-Kernforderungen nach Mindestlohn, Sozialversicherung und Gewerkschaftsfreiheit für inhaftierte Beschäftigte zu unterstützen sind. Der Kontakt zwischen dem Lehrter DGB soll nicht nur aufrechterhalten, sondern konkretisiert werden, damit die soziale Frage hinter Gittern verstärkt im regionalen Gewerkschaftsspektrum thematisiert wird.
Zudem konnte der Kontakt zu dem bei UPS beschäftigten ver.di-Aktivisten Fritz Wilke aus Sehnde vertieft werden, der sich mit seinem Gruppenzusammenhang wie die GG/BO im „Netzwerk gegen Union Busting“ engagiert.
Gezeigt hat sich auch, dass die Debatte hinsichtlich des Verhältnisses zwischen DGB-Einzelgewerkschaften – insbesondere ver.di – und der GG/BO längst nicht beendet, sondern fortzusetzen ist, damit ein normalisierter und vor allem solidarischer Umgang in gewerkschaftspolitischen Kampagnen und Mobilisierungen zur Selbstverständlichkeit wird.