Veranstaltung vom 10. November 2014 im Neuköllner Stadtteilladen „Lunte“ in Berlin
Die Veranstaltung wurde von der Anarcho-Syndikalistischen Initiative Berlin organisiert. Ein Radio-Journalist, der u.a. für den Deutschlandfunk (DLF) und WDR 3 arbeitet, zeichnete den Veranstaltungsverlauf auf, um Elemente aus diesem Mitschnitt für ein vorgesehenes einstündiges Radio-Feature zu verwenden. Desgleichen war eine „taz“-Journalistin anwesend, da in der „taz“ ein weiterer Artikel zur knastspezifischen Gewerkschaftspolitik der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) in nächster Zeit erscheinen soll. Die „taz“ entwickelt sich somit offenbar zu unserer ständigen Presse-Begleiterin, was wir selbstredend begrüßen.
In kleinem Rahmen mit etwa 15 Anwesenden berichtete der Sprecher der GG/BO, Oliver Rast, über die Ursprungsidee der Gründung einer gewerkschaftlichen Initiative hinter Gittern und die rasche praktische Umsetzung derselben. Von der JVA Tegel in Berlin ausgehend konnte sich die GG/BO binnen weniger Wochen auf weitere Haftanstalten der Bundesrepublik ausdehnen.
Im Verlauf seines Vortrages stellte Rast zum einen heraus, dass es um eine (potentielle) Organisierung aller Gefangenen – gleich welcher Herkunft und welchen Hintergrundes – geht. Zum anderen verwies er darauf, dass mit den beiden betont sozialreformerischen Kernforderungen nach einem Mindestlohn und einer Rentenversicherung zwei „Konsensthemen“ gefunden wurden, um über diese ein Gemeinschaftsinteresse aller Inhaftierten zu artikulieren. Nur über die Formulierung eng umgrenzter Forderungen lässt sich die sonst übliche Fragmentierung der Gefangenenschaft aufheben, so Rast.
Das wesentliche organisatorische Ziel der GG/BO besteht neben der Stärkung der eigenen Mitgliederbasis drinnen und draußen darin, innerhalb des heterogenen Gewerkschaftsspektrums enge Kontakte zu knüpfen, um einerseits den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, und um andererseits mit einflussreichen Kooperationspartnern dem eigenen gewerkschaftspolitischen Anliegen Nachdruck verleihen zu können.
Rast konnte des Weiteren zu Protokoll geben, dass in dem berühmt-berüchtigten Knast in Landsberg/Lech in Bayern die GG/BO neuerdings über einen Sprecher verfügt, so dass auch dieser Knast nicht mehr den Makel trägt, seitens der Gefangenen eine gewerkschaftsfreie Zone zu sein.
In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde u.a. die mangelnde Verankerung in Frauen- und Jugendknästen der GG/BO zur Sprache gebracht. Generell wurde in diesem Kontext auf die vielfältigen Probleme einer Selbstorganisierung hinter Gittern verwiesen, die z.T. mit der Veränderung der Zusammensetzung der Inhaftiertenpopulation zusammenhängen, z.T. mit einer Verringerung des Politisierungsgrades unter den Gefangenen. Beides sind sicherlich keine hinreichenden Erklärungen, aber zumindest Erklärungsansätze, sodass sich der Kollege Rast nicht zu einer Prognose hinreißen ließ, wann denn mit einer „rebellischen Gefangenenbewegung“ zu rechnen sei.
Zum Abschluss lenkte unser Bundessprecher die Aufmerksamkeit der kleinen Runde auf den bundesweiten Aktionstag im Frühjahr kommenden Jahres, um die Billiglöhnerei in den Knästen offensiv zu thematisieren und die Profiteure in den Fokus zu rücken.