Mit der am 14. August 2014 vor dem Amtssitz des Berliner Justizsenators Heilmann abgehaltenen Kundgebung ist der Auftakt zu einer vertieften Zusammenarbeit zwischen uns als Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) und verschiedenen linksgewerkschaftlichen Zusammenschlüssen und Basisgewerkschaften unternommen worden.
Es ist durchaus ein Wagnis gewesen, mitten im Berliner Sommerloch eine Kundgebung zu einem wenig populären Thema anzusetzen. Dennoch freut es uns sehr, dass etwa 40 Kolleginnen und Kollegen den Weg vor die Tür der Amtsstube Heilmanns gefunden haben, um unsere Forderungen nach einem Mindestlohn und einer Rentenversicherung für Inhaftierte Nachdruck zu verleihen.
Überaus positiv ist, dass sich verschiedene Initiativen mit Grußbotschaften und Redebeiträgen in die Vorbereitung und Durchführung der Kundgebung eingebracht haben. Auffallend ist vor allem, dass es sich dabei um keine Statements aus der Konserve handelte, sondern um zum Teil inhaltliche Einwürfe, wie die gegenseitigen Kooperationen gegenwärtig und mittelfristig gestaltet werden können.
Und hier sind wir an dem entscheidenden Punkt des Aufbaus einer stabilen Basis vor den Anstaltstoren, um unser gewerkschaftliches Engagement im Knast weiter zu verstärken und auszuweiten: Wir haben in den letzten Wochen viele neue solidarische Bänder geknüpft, so dass sich der Kontakt zwischen der drinnen und draußen agierenden GG/BO sowie Kolleginnen und Kollegen der verschiedensten Organisationen deutlich verstärkt hat.
Solidarische Rückenstärkung für die GG/BO von draußen
Die Berliner Sektion der Freien Arbeiterinnen und Arbeiter-Union (FAU) hat sich von Beginn an unserer Gewerkschafts-Initiative gegenüber solidarisch gezeigt. Folgerichtig schreiben sie in ihrer Grußbotschaft zur Kundgebung: „Wir stehen dem Anliegen der GG/BO und dem Kampf für Gewerkschaftsfreiheit in der extremen Arbeitszone Gefängnis solidarisch bei.“ Und abschließend halten sie fest: „Wo Arbeit Pflicht ist, sind es Gewerkschaftsrechte auch!“
Der ver.di-Erwerbslosenausschuss des Bezirks Berlin bekundet in einer Solidaritätserklärung ausdrücklich, dass er sich innerhalb der Dienstleistungsgewerkschaft für uns einsetzen will: “[…] wir, die Mitglieder des Erwerbslosenausschusses in ver.di Berlin. begrüßen und unterstützen die Initiative der Gefangenen. Euer Kampf um die Beseitigung weiterer Ausnahmen im Mindestlohngesetz und für die Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen findet unsere Zustimmung. […] Konkrete Angebote zu einer vertieften Zusammenarbeit können und werden wir euch nach der Klärung der Rahmenbedingungen bei ver.di machen.”
Die Gruppe „Erwerbslos in Berlin – Zusammenschluß gewerkschaftlich organisierter Erwerbsloser“ sagt in einer Grußadresse klipp und klar, dass ein ausnahmsloser Mindestlohn für alle Beschäftigten unabhängig von ihrem (momentanen) Aufenthaltsort zu gelten hat: „Wir können nicht auf einen Mindestlohn ohne Ausnahmen hoffen, wenn wir es dulden, daß der Mindestlohn Anderen vorenthalten wird. Schon deswegen unterstützen wir die Forderung der Gefangenen nach dem Mindestlohn auch für Gefangene.“
Erfrischend fanden wir ebenso die Stellungnahme vom Klassenkampfblock Berlin, in der darauf verwiesen wird, dass die durchgeführte Kundgebung nicht als Endpunkt, sondern als Auftakt der Solidarisierung mit der GG/BO zu verstehen ist: „Mit Zuversicht sehen wir der Zeit entgegen, wo die Gewerkschaft konkrete Schritte zur Durchsetzung ihrer Forderungen, Mindestlohn für alle Gefangenen und Einbeziehung in die Rentenversicherung unternimmt. Es gibt viele Orte, wo wir die Solidarität mit der Gefangenengewerkschaft ausdrücken können, der Berliner Justizsenat war erst der Anfang.“
Konkrete Unterstützung erhalten wir auch von Aktiven der Industrial Workers of the World (IWW), die im Anschluss an das “Work People´s Collage Europe” Anfang August dieses Jahres eine Solidaritätskundgebung vor der JVA abgehalten haben. Auf ihrem mitgebrachten Transparent hieß es: „An injury to one is an injury to all!“ („Ein Angriff auf einen ist eine Angriff auf alle!“). Ihre kurze schriftliche Erklärung endet mit dem solidarischen Appell: „The prisoners union needs solidarity – now!” („Die Gefangenengewerkschaft braucht Solidarität – jetzt!“).
„Vor dem Hintergrund der Diskussionen und baldigen Einführung des Mindestlohns“, schreibt der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V., „muss es auch für Antirepressions-Strukturen ein klares Anliegen sein, den Kampf um gewerkschaftliche Rechte und gegen Arbeit zu Niedriglöhnen in den Gefängnissen der BRD zu unterstützen!“ Bemerkenswert ist des Weiteren das Eingeständnis des BuVo der RH e.V., dass „Arbeitskampfthemen beziehungsweise gewerkschaftliche Aspekte im Knast“ in der RH-Arbeit zu wenig Niederschlag gefunden haben, obwohl dies zur „eigentlich sehr hohen Bedeutung […] der Fragen von Lohnarbeit, Entlohnung und Organisierung für die Gefangenen in der BRD [im Gegensatz]“ steht.
Die Grußbotschaften und Solidaritätserklärungen, die wir bislang erhalten haben, decken ein weites Spektrum ab, so dass wir unsere Unterstützungsbasis breit aufstellen können. Das ist ganz in unserem Sinne…
Organisationsübergreifende basisgewerkschaftliche
Solidarität aufbauen!
Linksgewerkschaftliche Basisstrukturen innerhalb und außerhalb von DGB-Einzelgewerkschaften, Sektionen und Ortsgruppen der Basisgewerkschaften (FAU, IWW) haben begonnen, sich mit unseren zentralen Forderungen nicht nur auseinanderzusetzen, sondern greifen diese aktiv auf, um diese in ihren Reihen stark zu machen. Das bedeutet für uns einen enormen Sprung nach vorne.
Wir möchten in den kommenden Wochen und Monaten dazu übergehen, unsere Anstrengungen vor und hinter den Anstaltstoren zu intensivieren, um unsere aktive Mitgliederbasis auszubauen. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, dass eine (aktive) Mitgliedschaft nicht auf (arbeitende) Gefangene begrenzt ist. Um unsere beiden Standbeine des Drinnen und Draußen ein breiteres Fundament zu geben, setzen wir gleichfalls auf (aktive) Mitglieder draußen.
Die GG/BO ist ein Gewerkschaftsprojekt, welches ursprünglich in der JVA Tegel entstand, sich kontinuierlich bundesweit in Haftanstalten ausweitet und über einen Hauptsitz im Haus der Demokratie und Menschenrechte verfügt. Unsere Basisgewerkschaft kooperiert teils eng mit bestehenden (Basis-)Gewerkschaften bzw. mit in Gewerkschaften aktiven Kolleginnen und Kollegen. Diese solidarische Zusammenarbeit werden wir konkretisieren.
Uns war von Beginn an bewusst, dass die GG/BO periodisch in die Schusslinie der Vollzugsbehörden und des Justizapparates geraten kann, auch wenn unsere selbstorganisierte Sammlung von gefangenen und nicht gefangenen Aktivistinnen und Aktivisten legitim und nicht kriminalisierbar ist.
Da wir die eine oder andere „behördliche Schlacht“ schon geschlagen haben – und nicht unterlegen sind! -, können wir zu Protokoll geben, dass wir es verstanden haben, unsere Tätigkeit als GG/BO politisch und juristisch zu flankieren. Diesen Kurs werden wir beibehalten.
Aber wir wissen natürlich nur zu gut, dass Stillstand auf Dauer den (Bewegungs-)Tod bedeutet. Deshalb liegt es in unserem ureigenen Interesse, mit anderen (Basis-)Gewerkschaften umsetzbare Überlegungen anzustellen, wie wir uns gegenseitig stärken und stützen können. Die Bildung von Grenzen überwindenden Aktionseinheiten und organisationsübergreifenden Kampfkartelle kann eine solche Überlegung sein…
Stärkt die GG/BO – drinnen & draußen!
Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO)
Ende August 2014