GG/BO Soligruppe Berlin: Wir haben uns am 24.08.18 mit dem Unternehmen X-PRESS getroffen. Grund des Treffens war es, mit Unternehmen, welche im Knast (in dem Fall in der JVA Reinickendorf) produzieren lassen und damit maßgeblich an der Ausbeutung von Gefangenen beteiligt sind, in den Dialog zu treten.
Zunächst hatten wir X-PRESS gefragt, warum sie im Knast Reinickendorf produzieren lassen.
„Weil die Qualität unglaublich gut ist und draußen fast keiner mehr Handarbeit macht. Sowas findest du nur im Knast. Wir bereichern uns aber nicht an ihrer Arbeit. Wir zahlen pro Stück – und dafür genau den selben Preis, wie wir draußen für industriell hergestellte Produkte zahlen würden.“, war die Antwort.
Während der Bevölkerung von der Politik und den JVA‘s also immer weis gemacht werden soll, Gefangenen-Arbeit sei „Therapie“ und nicht mit den Arbeitsverhältnissen und Ansprüchen draußen zu vergleichen, betont X-PRESS sogar, dass die Produkte der Gefangenen anspruchsvoller und qualitativ hochwertiger sind als die Produkte draußen. X-PRESS braucht nach eigener Aussage die Gefangenen Arbeit, weil draußen nur noch industriell hergestellt wird und die von den Frauen aus der JVA handgefertigten Produkte eine höhere Qualität aufzeigen.
Die gefangenen Frauen fordern Mindestlohn – sollte allerdings nicht mehr gezahlt werden als dieser, wenn die Produkte, wie X-PRESS selbst sagt, so hochwertig sind und draußen kaum produziert werden? Stattdessen müssen die Gefangenen mit einem Hungerlohn auskommen.
X-PRESS bereichert sich also eindeutig an der Arbeit von Gefangenen – handgefertigte Produkte wären außerhalb der Knastmauern, nach eigener Aussage von X-PRESS, aufgrund der Seltenheit sehr viel teurer als der Preis, den das Unternehmen an die JVA pro produziertes Stück zahlt.
Um einsehen zu können, wie viel das Unternehmen tatsächlich pro produziertes Stück an die JVA zahlt, will uns X-PRESS demnächst die Verträge mit der JVA zusenden und mit den Frauen aus der JVA Reinickendorf und der JVA selbst in Kontakt treten:
„Wenn die Frauen eins zu eins das bekommen würden, was wir der JVA zahlen, würden wir das auch sehr gut und richtig finden.“, so X-PRESS weiter.
Deswegen will X-PRESS bei der JVA wohl einfordern, „dass den Frauen genau das ausgezahlt wird, was wir der JVA zahlen“.
Demzufolge behält die JVA Reinickendorf sehr viel Geld von dem, was das Unternehmen für die Produktion zahlt, ein. Wundern tut uns das nicht, denn zwischen Unternehmen und den Gefangenen steht immer die JVA, welche den Arbeitsgeber der Gefangenen darstellt.
Wir warten ab, ob X-PRESS all die angekündigten Handlungsschritte tatsächlich unternimmt. Ein Gespräch oder gar eine Verhandlung mit den Frauen aus der JVA Reinickendorf wäre für die GG/BO ein Teilerfolg, wir als Soligruppe werden das Unternehmen aber deswegen nicht aus der Verantwortung für die Ausbeutung an Gefangenen ziehen und lediglich „nur“ die JVA verantwortlich machen.
Selbst wenn X-PRESS mit den Gefangenen und der JVA Kontakt aufnimmt und von der JVA eine anständige Bezahlung der Frauen einfordert, sind wir uns sicher, dass die JVA der Forderung des Unternehmens nicht nachkommen wird. Welchen Sinn würde es ergeben, wenn sich Knast nicht an der Arbeit der Gefangenen bereichert? Knast ist nicht umsonst betriebs- und wirtschaftlich organisiert: auf Kosten der Gefangenen soll eine Profitmaximierung stattfinden, für die Anstalt selbst, für Unternehmen, für den Staat. Wenn Knast nicht mehr wirtschaftlich ergiebig wäre, würde eine große Funktion verloren gehen. Die Konsequenzen daraus könnten aber massiv sein: zum Beispiel eine sehr viel kleinere Anzahl an Gefangenen.
Deswegen bleiben wir als Soligruppe der GG/BO in unseren Forderungen standhaft: sofortiger Produktions-Stopp in allen Knästen! Vielleicht wären wir dann einen Schritt näher an der Freiheit für alle Gefangenen.
Berlin, 02. September 2018
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.
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