Oliver Rast über die Forderungen und Pläne der Gefangenengewerkschaft
Oliver Rast gehörte im Mai 2014 in der Berliner Justizvollzugsanstalt Tegel zu den Mitbegründern der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), deren Sprecher er nach dem Ende seiner Haftzeit ist. Mit ihm sprach Peter Nowak.
Wieso gründeten Sie im Gefängnis eine Gewerkschaft?
Erstens bin ich seit einigen Jahren Mitglied bei den Industrial Workers of the World (IWW), auch »Wobblies« genannt, sowie in der gleichfalls traditionsreichenFreien Arbeiter Union (FAU). Ich wollte mein basisgewerkschaftliches und revolutionär-unionistisches Engagement auch unter den widrigen Knastbedingungen fortsetzen.
Zweitens stützen wir uns – ganz unspektakulär – auf geltendes Recht. Zum einen berufen wir uns auf ein Grundrecht, das auch für Inhaftierte nicht außer Kraft gesetzt ist: die Koalitionsfreiheit nach Art. 9, Abs. 3 des Grundgesetzes. Zum anderen haben wir uns, wie es eine gängige Rechtspraxis von Gewerkschaften ist, als sogenannter »nicht rechtsfähiger Verein« nach dem BGB konstituiert. Und drittens sahen wir die dringende Notwendigkeit, die soziale Frage hinter Gittern aufzuwerfen, womit wir den neuralgischen Punkt vieler, wenn nicht gar aller Gefangenen getroffen haben.
Warum haben Sie sich auf die zwei Hauptforderungen Mindestlohn und Rentenversicherung für Inhaftierte beschränkt?
Wir haben uns bewusst auf ein Minimalprogramm beschränkt. Die Klarheit der Forderungen nach Mindestlohn und Rentenversicherung für Gefangene ist ein Teil des »Erfolgsrezepts« der GG/BO. Das entspricht absolut lebensnahen Bedürfnissen von Inhaftierten. Dadurch entsteht eine Interessengemeinschaft, die die sonst so übliche Fraktionierung unter Gefangenen punktuell überwindet. Außerdem bringen wir uns in allgemeine öffentliche Debatten nach einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit ein. Das verschafft uns eine doppelte Anschlussfähigkeit, die uns eine relativ breite Resonanz beschert hat.
Wie wollen Sie die Forderungen durchsetzen?
Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir uns im Bündnis mit anderen Kräften in sozialen Bewegungen verankern. Hierüber hoffen wir, Kräfteverhältnisse verschieben zu können. Wir wissen aber auch, dass wir gegen gewichtige Akteure in Bund und Ländern anlaufen, die jede sozialreformerische Veränderung, auch wenn sie lediglich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz pocht, für einen Akt der Meuterei halten.
Wie werden die Mitglieder in den unterschiedlichen Gefängnissen in den Entscheidungsprozess der GG/BO einbezogen werden?
Wir sind ein Verbund von mehreren Hundert Menschen in über 30 Knästen, der in Bewegung bleiben will. Und das setzt einen bestimmten Grad an »Professionalisierung« voraus. Eine basisdemokratische Organisierung stößt im Knast sprichwörtlich an Grenzen. Es können derzeit keine JVA-Versammlungen unserer Mitglieder einberufen werden. Vieles läuft zäh über Schriftverkehr, der natürlich durch das Eingreifen eigenmächtiger Vollzugsbehörden gestört werden kann.
Ist die GG/BO dann überhaupt arbeitsfähig?
Wir haben viel vor: Mit unserem bundesweiten Aktionstag »Schluss mit der Billiglöhnerei hinter Gittern!«, der im April 2015 in mehreren Städten stattfinden wird, soll durch eine »aktivierende Untersuchung« die Betriebslandschaft in den Knästen unter die Lupe genommen werden. Mit einem Fragebogen an unsere Mitglieder wollen wir in Erfahrung bringen, wer dort unter welchen Bedingungen zu Billiglöhnen und im Akkord produzieren lässt. Wir hoffen, dass das innerhalb und außerhalb der Knäste einen Mobilisierungsschub geben wird.nen Mobilisierungsschub geben wird.