GG/BO-Kampagne startet: Telio-Preise senken – jetzt!

Die gefangenen Arbeiter*innen müssen für Löhne von 1-2€ die Stunden schuften und wer nicht arbeiten kann, darf oder will, wird mit einem Taschengeld von ca. 30€ im Monat abgespeist. Von diesem Geld müssen sich die Gefangenen mit allem versorgen, was über die Grundversorgung hinausgeht. Davon müssen sie auch die Kosten für das Telefonieren tragen, wobei der Anbieter „Telio“, der in allen deutschen JVA‘s von Gefangenen genutzt werden muss, weil es keinen Alternativanbieter gibt, das Telefonieren nur zu vollkommen überteuerten Preisen ermöglicht – finden die Gefangenen und mittlerweile auch das Bundesverfassungsgericht. Um eine deutliche Senkung der Telio-Preise durchzusetzen, starten gefangene Gewerkschaftler*innen, gemeinsam mit den Solidaritätsgruppen, jetzt eine bundesweite Kampagne. Wir rufen hiermit zur Beteiligung und Unterstützung auf!

Telio ist der Monopolanbieter in der Gefängnistelefonie und präsentiert sich auch selbst gerne als den europaweiten Marktführer. Dank dieser Stellung kann Telio Preise festlegen, die man durchaus als Wucher verbuchen kann. Vor 2014 berechnete Telio in der JVA Burg für Ortsgespräche 0,10€, für Ferngespräche 0,20€, für Gespräche ins Mobilfunknetz 0,70€ und für Auslandsgespräche bis zu 2,60€/Minute.1 Von dem wenigen Geld, was den Gefangenen zur Verfügung steht, streicht Telio einen beträchtlichen Anteil ein, bereichert sich also auf Kosten der gefangenen Arbeiter*innen, die offensichtlich keine andere Wahl haben, als telio zu nutzen. Das betrifft auch die Angehörigen, Freund*innen und Unterstützer*innen von Gefangenen, die oft deren Telio-Konten aufladen und dafür auch noch eine Gebühr zahlen müssen.

Jan Oelbermann stellte erst im April 2018 im Rundbrief des Republikanischen Anwaltsverein fest, dass Telio ein Paradebeispiel für Privatisierungstendenzen im Strafvollzug darstellt, also dafür, wie der Staat Aufgaben an private Unternehmen abtritt, die daraus dann Profit schlagen können – auf Kosten der Gefangenen.2 Dieses System wird von den Ministerien und Anstalten unterstützt. Indem sie Mobiltelefone oder Internetzugang verbieten und das Verbot regelmäßig mittels Zellenrazzien und Disziplinarmaßnahmen durchsetzen, zwingen sie die Gefangenen dazu, Telio zu nutzen und dessen Preise zu zahlen. Das zeigt sich auch an den neuen „Multimediaboxen“, über die Telio u.a. in der JVA Brandenburg zukünftig kostenpflichtig Telefonie, Fernsehen und Radio anbieten wird. Die Anstaltsleitung hat zu Jahresbeginn die Gefangenen informiert, dass sie ihnen alle Genehmigungen für die Fernseher, Spielkonsolen und anderen Geräte entzieht, über welche die Gefangenen freien Zugang zu Radio, Fernsehen und Unterhaltung haben. So werden sie von der JVA in das kostenpflichtige Telio-Angebot gezwungen.3
Derzeitig rühmt sich außerdem der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt damit, Gefangenen in Berlin den Zugang zu Tabletts und damit Internet zu ermöglichen. Der Internetanbieter der Tabletts? Telio/Phonio4. Ein Gefangener aus der JVA Tegel dazu: „Wir können uns hier drin nichtmal die Telefonkosten leisten – wer soll denn ein Tablet bezahlen können? Die Dinger müssen von uns gemietet werden und Internetkosten entstehen auch. Bei 1-2 € die Stunde Lohn -gute Idee Dirk!“

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass es bei all dem eine Ausnahme gibt. In Bayern ist die Gefängnistelefonie derart eingeschränkt, dass Gefangene in der Regel keinen Zugang zu Telefonen haben, dass sie also nicht einmal zu Preisen von Telio telefonieren dürfen.

Angesichts dieser Situation ist es kein Wunder, dass Telio immer wieder den Ausgangspunkt für Gefangenenkämpfe bildet. Seit Monaten kämpft die GG/BO-Sektion in der JVA Neumünster um eine Verbesserung der Lebensbedingungen in der JVA und damit auch gegen die Telio-Preise.5 Am 12. Oktober fand in der JVA Tegel sogar eine Revolte statt, in deren Verlauf die Gefangenen mehrere Glasscheiben zerstörten, Mülleimer in Brand setzten und in ein Stationsbüro einbrachen. Gefangene berichteten später, dass einer der Gründe für die Unzufriedenheit und die Revolte in den überhöhten Telio-Preisen und den Zellenrazzien gegen Handys bestand.6 In vielen JVA‘s haben Gefangene auch gegen die hohen Telefonkosten geklagt und seit 2014 Urteile in ihrem Interesse erwirkt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte schließlich am 8. November 2017, dass die Telio-Kosten zu hoch seien und dem Grundsatz der Resozialisierung widersprechen. Am 15. Dezember 2017 schloss sich das Oberlandesgericht in Dresden dieser höchstrichterlichen Entscheidung an.7 Das sind nur einige wenige Beispiele, die zeigen, wie sich Gefangene gegen die hohen Telio-Preise wehren. Trotz dieser Kämpfe und trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts verschleppen zahlreiche JVA‘s immer noch die Senkung der Kosten. Sie reden sich dabei in der Regel damit heraus, dass sie sich an langjährige Verträge mit Telio halten müssen.

Als Gefangenen-Gewerkschaft und als deren Solidaritätsgruppen starten wir nun eine Kampagne, um die JVA‘s endlich dazu zu zwingen, einen günstigeren Zugang zu Telefonen bereitzustellen. Wir werden mit Gefangenen, Ex-Gefangenen und Unterstützer*innen je Bundesland gegen die überhöhten Telio-Kosten klagen, der Öffentlichkeit über die Klageverfahren berichten und rufen alle dazu auf, sich solidarisch mit den kämpfenden Gefangenen zu zeigen. Stellvertretend für die GG/BO fordern wir weiterhin: Legalisierung von Mobiltelefonen und den freien, kostenlosen Zugang zum Internet für alle Gefangene!

Wer uns bei der Kampagne unterstützen möchte, kann gerne mit uns Kontakt aufnehmen und auf folgendes Konto spenden:
Schwarzkreuz Jena
IBAN: DE58 8306 5408 0004 9960 54
BIC: GENO DEF1 SLR
Betreff: Telio-Kampagne

04. Dezember 2018

GG/BO Solidaritätsgruppen Berlin, Jena, Leipzig und Nürnberg

Bildquelle: Screenshoot http://www.tel.io/de/

1 Oelbermann, Jan: Privatisierungstendenzen im Strafvollzug. Kein Anschluss unter dieser Nummer?, in: RAV Infobrief, #115, April 2018, S. 26-29, online: https://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Infobriefe/RAV_innen_infobrief_115_web.pdf [9.11.2018].
2 ebenda.
3 ebenda.
4 https://ggbo.de/in-neumuenster-geht-es-weiter/
5 https://ggbo.de/wie-es-zur-revolte-in-der-sotha-kam-berichte-von-gefangenen-der-jva-tegel/
6 https://ggbo.de/wp-content/uploads/2018/01/Beschluss-Telefonie-ortsu%CC%88bliches-Niveau.pdf
https://ggbo.de/wp-content/uploads/2018/01/Beschluss-Telefonie-ortsu%CC%88bliches-Niveau.pdf

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist. .

 

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

3 Kommentare

    1. ja da muss ich dir recht geben übels teuer anstad das mann jeden monat 50-150 euro bezahlt das man so bis einen ganzen monat telefonieren kann echt teuer sowas !

  1. Arbeitserleichterung statt Vollzugslockerung. (O-Ton Telio unter dem Link „Lösungen“)
    Dieser Satz beinhaltet einfach alles und Bedarf eigentlich keinen weiteren Kommentar und Interpretationsraum, was Telio wirklich möchte.
    Eine Abzockfirma, die eigentlich eingesperrt gehört und zu Ihren eigenen „Angeboten“, die strukturellen Angebote nutzen muss…

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