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Vom gesetzlichen Mindestlohn können Häftlinge in deutschen Gefängnissen nur träumen. Zwischen neun und 15 Euro am Tag verdienen Gefangene in den Justizvollzugsanstalten, also maximal 1,87 Euro pro Stunde. Der „Mindestlohn für alle“ endet an den Gefängnistoren. Zusammengenommen beschäftigen die Justizvollzugsanstalten rund 41.000 Menschen und damit nur etwas weniger als das Traditionsunternehmen Adidas (42.500) und mehr als der Pharmakonzern Merck (39.600). Der Gewinn landet in den Kassen der Bundesländer, 2013 waren es 150 Millionen Euro. Kleine Unternehmen, die den Mindestlohn bezahlen müssen, sehen Wettbewerbsnachteile.
Häftlinge in Rheinland-Pfalz haben hinter Gittern vielfältige Arbeitsmöglichkeiten. Die Justizvollzugsanstalt Diez beheimatet eine eigene Druckerei, eine Buchbinderei und eine Schreinerei. In der JVA Wittlich können die Gefangenen in der Baumschule, Polsterei oder Schneiderei arbeiten. Diese sogenannten Eigenbetriebe stellen unter „Nutzung der Gefangenenarbeit Erzeugnisse her oder erbringen Leistungen“ schreibt das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz auf seiner Webseite. Die „Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe trägt das Land“ und der „Erlös aus den hergestellten Erzeugnissen fließt in die Landeskasse“, beschreibt das Ministerium die Kostenstruktur. „Man muss sich klar machen, dass die Betriebe in den JVAs einen dreifachen Wettbewerbsvorteil haben. Erstens sind die Lohnkosten extrem niedrig und die Mindestlohn-Dokumentationspflichten müssen durch die JVAs nicht erfüllt werden. Zweitens entstehen keine Kosten für Maschinen und Rohstoffe, die trägt das Land. Drittens gehen viele Aufträge aus Behörden und Verwaltungen direkt an die Gefängnisbetriebe ohne das andere Firmen eine Chance hätten den Auftrag zu bekommen“, beschreibt Ralf Vowinkel, Vizepräsident der Bund der Selbständigen Rheinland-Pfalz und Saarland e.V., die aktuelle Problematik.
Ein Betroffener dieser Wettbewerbsverzerrung ist Torsten Boschert, Inhaber einer Buchbinderei in Neustadt an der Weinstraße. Die Buchbinderei Boschert ist ein Familienbetrieb und wurde 1932 von Buchbindermeister Hermann Boschert senior gegründet. Über 80 Jahre später führt Enkel Torsten Boschert den Familienbetrieb in dritter Generation, auch er ist Buchbindermeister. Die zunehmende Konkurrenz aus den Gefängnissen bereitet ihm Sorgen: „Die Buchbinderein in den Gefängnissen machen die Preise kaputt, schließlich muss den Häftlingen kein Mindestlohn bezahlt werden und das verwendete Material wird vom Bundesland gestellt“, klagt Boschert über den ungleichen Wettbewerb. „Somit können diese Gefängnisunternehmen Preise anbieten, die für mich niemals zu erreichen sind“, sagt der Buchbindermeister. Er habe die Erfahrung gemacht, dass die Aufträge vieler Behörden oder Verwaltungen direkt an die Gefängnisse vergeben werden und er und seine Kollegen nur schwer an öffentliche Aufträge kämen, so Bochert weiter.
„Die Verlierer der aktuellen Situation sind sowohl die Gefangenen als auch die kleinen Betriebe. Wir wollen Wettbewerbsgleichheit. Das bedeutet: Einen fairen Lohn für die Gefängnisinsassen und einen Abbau der Benachteiligungen für kleine Unternehmen. Es ist ja absurd, dass die Buchbinderei mit seinen Steuern den Betrieb von Gefängnissen erst möglich macht, durch die dann der Betrieb angegriffen wird. Natürlich kosten Haftplätze Geld aber das darf auf keinen Fall dazu führen, dass kleine Betriebe in einen unfairen Wettbewerb gezwungen werden. Wir brauchen eine bessere Lösung“, beschreibt Ralf Vowinkel vom Bund der Selbständigen die Situation.
Für Torsten Boschert ist klar, dass eine Lösung gefunden werden muss. „Ich möchte im Jahr 2022 das 90-jährige Betriebsjubiläum feiern“, sagt Boschert. Die Politik könnte helfen, dass das gelingt.