Die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) kritisiert das Vorgehen der bayerischen Justiz im Zusammenhang mit den anhaltenden Missständen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bernau scharf.
Insbesondere der skandalöse Umgang mit der medizinischen Versorgung von Inhaftierten und die Kriminalisierung ehemaliger Häftlinge und ihrer Angehörigen zeigen das tiefe Versagen des bayerischen Justizsystems. Wir erklären unsere uneingeschränkte Solidarität mit den Betroffenen, die in ihrem mutigen Einsatz für grundlegende Rechte und menschenwürdige Haftbedingungen von der Justiz verfolgt werden.
Im Mittelpunkt des Skandals steht die systematische Verweigerung einer angemessenen Substitutionsbehandlung in der JVA Bernau, die Inhaftierte in lebensbedrohliche Situationen gebracht hat. Statt Opioid-abhängige Häftlinge angemessen zu behandeln, wurden sie dazu gedrängt, sich ihre Medikamente auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen – eine Praxis, die nicht nur gegen ärztliche und menschenrechtliche Standards verstößt, sondern auch das Leben der Betroffenen gefährdet.
Diese Zustände sind seit Jahren bekannt, doch anstatt diese Vergehen aufzuklären, betreibt die Justiz eine systematische Vertuschung und Verfolgung derjenigen, die den Mut haben, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Trotz der offensichtlichen Missstände sehen sich die Betroffenen nun mit einer Welle von Verleumdungsverfahren und strafrechtlicher Verfolgung konfrontiert. Der jüngste Fall betrifft ein Geschwisterpaar, welches sich öffentlich gegen die menschenverachtenden Bedingungen in der JVA Bernau gewehrt hat.
Während der Bruder bereits wegen vermeintlicher Verleumdung verurteilt wurde, steht seine Schwester demnächst ebenfalls vor Gericht, wo ihr mit harten Strafen gedroht wird. Entlastungszeugen, die die Missstände hätten bestätigen können, wurden systematisch ausgeschlossen, während die Aussagen der Anstaltsärzte unhinterfragt blieben. Dieses Vorgehen offenbart den zynischen Versuch, Kritiker mundtot zu machen und die Verantwortung für das Versagen im Justizsystem zu verschleiern.
Besonders besorgniserregend ist, dass die Justizbehörden nicht nur die Zeugenaussagen von ehemaligen Häftlingen ignorieren, sondern auch versuchen, diese Zeugen durch Druck und Einschüchterung aus dem Verfahren zu drängen. So wurde beispielsweise die Aussage eines Zeugen kurz vor der Verhandlung abgesagt, und seither ist dieser nicht mehr erreichbar. Diese Methoden sind nicht nur unethisch, sie untergraben auch jeglichen Anspruch der Justiz auf Fairness und Rechtsstaatlichkeit.
Die GG/BO fordert eine sofortige Einstellung der Verleumdungsverfahren gegen die Betroffenen sowie eine unabhängige und transparente Untersuchung der medizinischen Versorgungssituation in der JVA Bernau. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die auf Missstände hinweisen und für ihre Rechte kämpfen, kriminalisiert werden, während die Verantwortlichen der Haftanstalten weiterhin gedeckt werden.
Die bayerische Justiz muss aufhören, Kritiker und ehemalige Häftlinge zu verfolgen, die lediglich die Wahrheit ans Licht bringen wollen. Stattdessen sollte sie sich der Aufgabe widmen, menschenwürdige Haftbedingungen zu garantieren und die systematischen Verfehlungen innerhalb ihrer Einrichtungen aufzuarbeiten.
Wir rufen alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Öffentlichkeit und die Medien dazu auf, sich solidarisch mit den Betroffenen zu zeigen und sich gegen die Kriminalisierung von Aufklärungsarbeit in deutschen Haftanstalten zu stellen. Der Kampf für eine menschenwürdige Strafvollzugspraxis ist ein Kampf für die Grundrechte aller.
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.