Die Küchenschürze „Knastkitchen“ besticht durch praktische Doppelfronttaschen, einerseits. Das „besondere Etwas“ bekommt sie laut Eigenwerbung aber erst durch den „Knastmatratzen-Look“: feine weiße Streifen auf zartem Beige, verwoben in hundert Prozent Baumwolle. Das Modell „Knastkitchen“ für 19,50 Euro ist ein Verkaufsschlager der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta in Niedersachsen. Ebenso ein Sanddorn-Likör, Marke „Justiz-Irrtum“, er ist momentan ausverkauft. Das Geschäft mit Produkten aus deutschen Gefängnissen läuft bestens. So gut, dass die Justizminister sie verstärkt professionell vermarkten lassen. Auch der Freistaat Bayern macht mit – am Donnerstag geht ein eigener Shop online.
Waren aus 37 bayerischen Anstalten können dann zentral bezogen werden, bislang war das nur über die einzelnen JVA-Webseiten möglich. Das Angebot reicht von Wald- und Blütenhonig aus dem Aichacher Frauengefängnis über anthrazitfarbene Filzschuhe in der Ausführung „Niedertreter“ aus der JVA Kaisheim bis zu maßgeschneiderten Roben mit Samtbesatz für Richter und Staatsanwälte aus dem Hochsicherheitstrakt in Straubing.
Dass Häftlinge Arbeitskleidung ausgerechnet für ihre Gegenspieler vor Gericht nähen, hat in den Werkstätten deutscher Gefängnisse Tradition – Expertise ist ja auf beiden Seiten vorhanden. „Der leichte Stoff unserer hochwertigen Roben ist knitterarm und bietet selbst in überheizten Gerichtssälen hohen Tragekomfort“, preist die Anstalt Celle ihre Ware auf der Seite „JVA-Shop“ an. Der Preis: 195 Euro.
Die Qualität der Gefängnisprodukte ist hoch, der Preis günstig. Schließlich arbeiten die Häftlinge unter Bedingungen, die konkurrenzlos sind – unfreie Marktwirtschaft eben. Zeit ist reichlich vorhanden, Produktionsstress will an langen Tagen hinter Gittern nicht aufkommen. Auch sind die Arbeitslöhne niedrig: Die Stundensätze betragen 1,21 bis 2,01 Euro. Wer am Abend aus der Werkstatt in die Zelle zurückkehrt, hat zwischen 9,64 und 16,07 Euro verdient. Die Gefangenengewerkschaft GGBO kämpft hart für einen Mindestlohn – bislang vergebens.
Knapp 42 Millionen Euro Arbeitseinnahmen pro Jahr kommen allein bei Bayerns Haftanstalten zusammen, durch Produkte der JVA-Eigenbetriebe wie Schaukelpferde, Vogelhäuschen, Edelstahlgrills und Filztaschen. Sowie durch Aufträge von Fremdfirmen, die ihre Ware von Häftlingen produzieren lassen. Das Geld fließt in den Staatshaushalt. Laut Strafvollzugsgesetz sind Häftlinge zur Arbeit verpflichtet, lediglich Untersuchungsgefangene sind befreit. „Es geht nicht maßgeblich um die Erzielung von Einnahmen, sondern vielmehr um die Resozialisierung der Strafgefangenen“, sagt Bayerns Justizminister Winfried Bausback.
Mit dem Start des Online-Shops „Haftsache“ folgt er dem Beispiel anderer Länder. Nordrhein-Westfalen verkauft im „Knastladen“ sogar Meerschweinchen-Hängematten mit Erfolg. Vorreiter war die JVA Fuhlsbüttel, die vor gut zehn Jahren online ging. Unterhemden des Gefängnislabels „Santa Fu“ genießen in Hamburg Kultstatus, die Erlöse gehen zum Teil an die Opferschutzorganisation Weißer Ring. Ein weiterer Bestseller: „Alaarm!“ – ein Brettspiel über Gefängnisausbrüche.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/wirtschaft-jailhouse-shop-1.3357897
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