Gewerkschaftsfreie Zone Knast

Der Bundesvorstand der Linkspartei erklärte sich im Herbst mit den Forderungen der Gefangenengewerkschaft GG/BO solidarisch. Die Realitätsprobe im rot-rot-grün regierten Thüringen lässt Zweifel an diesem Bekenntnis aufkommen.

von Peter Nowak

»Soziale Gerechtigkeit endet nicht an Gefängnismauern. Rentenversicherung, Mindestlohn und Gewerkschaftsrechte für Inhaftierte!« Mit dieser Forderung ist ein Beschluss des Bundesvorstands der Linkspartei vom vergangenen ­Oktober betitelt. In dem Papier erklärt sich das Gremium mit den Zielen der 2014 gegründeten Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) solidarisch und unterstützt die Forderung nach der vollständigen An­erkennung von Gewerkschaftsrechten auch im Gefängnis. »Die Ausgrenzung Gefangener und Haftentlassener muss bekämpft werden, denn sie ist im Kern auch eine gesamtgesellschaftliche Frage«, heißt es in dem Beschluss, der auch den Entzug von Rechten für Mitglieder der GG/BO kritisiert: »Viele der beigetretenen Insassen sahen sich Schikanen der Anstalten ausgesetzt, Gewerkschaftsmaterial wurde konfisziert, sie wurden verlegt oder zum Dauereinschluss verbracht, die Zellen wurden durchsucht.«

Die beiden Gewerkschaftsmitglieder David Hahn und Maik Büchner haben solche Schikanen erlebt. Büchner ist in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna und Hahn in der JVA Untermaßfeld inhaftiert, beide Gefängnisse befinden sich in Thüringen. In dem Freistaat stellt die Linkspartei mit dem ehemaligen Gewerkschaftssfunktionär Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten. Deshalb wandten sich am 12. Januar Hahn, Büchner und die Gefangenensolidarität Jena in einem offenen Brief an Iris Martin-Gehl, die justizpolitische Sprecherin der Linkspartei-Fraktion im Thüringer Landtag. Unter Verweis auf den Beschluss des Parteivorstands forderten die Verfasser ein sofortiges Ende der Postzensur für die GG/BO-Mitglieder, zudem sollen regelmäßige Treffen der Gewerkschaftsmitglieder in den Gefängnissen ermöglicht werden. Ein historisches Vorbild für diese Forderungen sind Gefangene in Hessen, die in den achtziger Jahren den Grünen beigetreten waren und damals regelmäßige Parteitreffen erkämpften.

Erst knapp drei Wochen später kam eine Antwort – aufgrund einer entsprechenden Nachfrage der Jungle World. Jens Schley, ein Mitarbeiter Martin-Gehls, schrieb, ohne konkret auf die Forderungen der GG/BO-Mitglieder einzugehen: »Von vermeintlicher oder tatsächlicher Postzensur Betroffene« hätten das Recht, eine Beschwerde einzureichen und disziplinar- und strafrechtlich gegen die JVA vorzugehen. Auch der Forderung nach regelmäßigen Treffen der Gewerkschaftsmitglieder stellte Schley lediglich eine Interpretation der geltenden Rechtslage entgegen: »Die Vertretung der Gefangenen einer JVA über eine eigene Gewerkschaft ist durch das Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch (ThürJVollzGB) nicht vorgesehen. An ihre Stelle treten, aber ohne gewerkschaftliche Struktur und ohne gewerkschaftliche Vertretungsaufgabe, die Gremien der Gefangenenmitverantwortung, deren Wahl, Vertretungsaufgabe und Bereiche der Berücksichtigung ihrer Mitwirkung über Verwaltungsvorschriften zum ThürJVollzGB geregelt sind.«

Bei den Verfassern des offenen Briefes ist man über die Reaktion enttäuscht. Konstantin von der Jenaer GG/BO-Soligruppe sagte im Gespräch mit der Jungle World: »Weder Frau Martin-Gehl noch sonst jemand aus der Linkspartei hat es für nötig erachtet, nach der Veröffentlichung unseres offenen Briefs mit uns oder unseren inhaftierten Sprechern Kontakt aufzunehmen.« Zudem verstecke sich die Partei »Die Linke« hinter bestehenden Gesetzen, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, diese zu ändern. Der Jenaer GG/BO-Sprecher kritisiert zudem, dass die Häftlinge in dem Schreiben Schleys auf die institutionalisierte Gefangenenmitverwaltung verwiesen werden. Schley könne offenbar nicht verstehen, »dass die inhaftierten Arbeiterinnen und Arbeiter ihr Leben in die eigenen Hände nehmen und ihre eigene Gewerkschaft aufbauen« wollen. Genau diese gewerkschaftliche Selbstorganisierung hinter Gittern aber werde in dem Beschluss des Linkspartei-Bundesvorstandes ausdrücklich begrüßt und unterstützt.

Schley kündigt an, dass die Linkspartei die Diskussion über eine Gesetzesreform in Thüringen weiter vorantreiben werde. Dass die GG/BO-Mitglieder und ihre Unterstützer sich damit zufrieden geben, ist kaum zu erwarten. Schließlich hatten sie schon in ihrem offenen Brief darauf hingewiesen, dass der Strafvollzug Ländersache sei: »Ausreden gibt es also keine. Vor allem aber erwarten wir Taten.«

Quelle: http://jungle-world.com/artikel/2017/06/55696.html

 

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