Bericht von einer Informationsveranstaltung in Köln
Am 21. Juli fand in Köln eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zu der neu gegründeten bundesweiten Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO) statt. Auf Einladung des Autonomen Knastprojekts kamen etwa 20 Leute zusammen, um über den aktuellen Stand der Organisierung hinter Gittern mehr zu erfahren und Möglichkeiten zur Unterstützung zu diskutieren.
Denn Ende Mai 2014 haben einige Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt Tegel eine eigene Gewerkschaft gegründet, um ihre wirtschaftlichen Interessen auch hinter Gefängnismauern zu verfolgen. Sofort antwortete die Staatsgewalt mit Repression, wie Zellendurchsuchungen und Bedrohungen. Dabei sind jedoch die bisher genannten Forderungen nach Mindestlohn und Rentenversicherung alles andere als staatsgefährdend einzustufen.
Doch was durch die Selbstorgansierung von verurteilten Zwangsarbeiter/innen bedroht ist, sind vor allem die billigen Produktionsmöglichkeiten zu Niedrigstlöhnen. Ohne eine formelle Möglichkeit der Gegenwehr sind die Inhaftierten nämlich durch das Strafvollzugsgesetz zur Arbeit im Knast verpflichtet. Freie Arbeitplatzwahl oder Streikrecht sind dabei natürlich Fremdworte.
Zahlreiche Firmen lassen in den Gefängnissen zu Billiglöhnen ihre Produkte herstellen, die dann zu normalen Preisen auf den Markt kommen: Ob Waschmaschinen, Autoteile, Steckdosen, Sportartikel oder Garagentore – die Nachfrage bei den Herstellern ist groß. Schließlich können die Arbeitsbedingungen in deutschen Knästen mit der sklavenähnlichen Ausbeutung in China, Kambodscha oder Bangladesh locker mithalten. Denn gefangene Arbeiter/innen verdienen etwa 11 Euro pro Tag, das entspricht einem Stundenlohn von 1,40 Euro.
Dabei bekommen die Insass/innen weniger als die Hälfte dieses Hungerlohns auf ihre gefängnis-internen Guthabenkarten überwiesen, der Rest wird auf ein Bankkonto überwiesen für die Zeit nach der Entlassung. Wer als Freigänger/in draußen arbeitet, bekommt von dem jeweiligs vereinbarten Arbeitsentgelt sogar noch die Haftkosten in Höhe von 360 Euro abgezogen. Doch das betrifft nur etwa 10% aller Gefangenen, denn die überwiegende Mehrheit muss hinter Gittern schuften, sonst droht Isolationshaft. Allerdings scheint die Nachfrage größer zu sein als die Zahl der Arbeitsplätze.
Dabei werden nicht nur Produkte für den „freien“ Markt hergestellt, sondern die Häftlinge erwirtschaften auch Güter für das Justizministerium, wie verschiedene Drucksachen, Anstaltskleidung und sogar die Roben der Richter/innen. Dazu werden zahlreiche Dienstleistungen in den Haftanstalten verrichtet, zum Beispiel in Küchen, Wäschereien, Krankenstationen oder Bibliotheken.
Und das alles ohne einen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Besonders im Bereich Arbeitssicherheit liegt wohl einiges im Argen, denn Persönliche Schutz-Ausstattung oder Abluftanlagen kosten die Anstalten schließlich Geld. Dabei werden schätzungsweise aus Gefängnisarbeit bundesweit auf halbe Milliarde Euro Gewinne erzielt.
Damit in Zukunft die Arbeitsbedingungen für Insassen von Justizvollzugsanstalten menschenwürdigen Standarts entsprechen und durch die Knastarbeit nicht eine doppelte Ausgrenzung stattfindet, haben sich also mehrere Gefangene auf ihr Vereinigungsrecht berufen und diese Gewerkschaft gegründet. Bisher gibt es Kontaktpersonen in Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Sie stehen mit ihrer Selbstorganisation noch am Anfang und freuen sich über Solidarität und öffentliche Anerkennung. Aus praktischen Gründen brauchen die Organisator/innen vor allem ganz dringend Briefmarken.
Für August ist dann die Neuerscheinung ihrer Zeitung „Outbreak“ geplant, die über die Aktivitäten berichten wird. Da die Gewerkschaft nicht nur reine Interessenvertretung sein will, sondern auch ein „Ort der sozialen Begegnung und des zwischenmenschlichen Austauschs“, lebt sie durch direkte und indirekte Kontakten zwischen den Inhaftierten. Und eben dies ist ja im Gefängnis bewußt eingeschränkt worden. Da die GG/BO aber den Idealen von „Freiheit, Autonomie und Solidarität“ folgt, gibt es zudem Überschneidungen mit sozialen Kämpfen außerhalb der Gefängnismauern. Aus diesem Grund erhoffen sie sich einen regen Austausch mit anderen Gewerkschaftsaktivist/innen, sowie mit lokalen Solidaritätsgruppen, die sie unterstützen.
Liebe Freunde,
als langjähriges Mitglied von dju und verdi unterstütze ich mit voller Überzeugung Euren gewerkschaftlichen Zusammenschluss im Knast. Besonders Eure beiden Hauptforderungen nach einem Mindeststundenlohn von 8,50 € und die Abführung von Beiträgen an die Rentenversicherung für die geleistete Lohnarbeit in den JVAen kann ich mit ganzer Überzeugung vertreten.
Solidarische Grüße
Dr. Diether Dehm, Berlin-Hannover , MdB DIE LINKE.