chaukelpferde, Vogelhäuser und Gartenbänke, all das können Rheinland-Pfälzer auch in Gefängnissen kaufen. Damit erwerben sie Produkte, die womöglich einstige Mörder, Räuber oder Betrüger hergestellt haben.
Auch Unternehmen lassen hinter Gittern produzieren. Die Arbeit der Häftlinge ist konkurrenzlos günstig. Vom Mindestlohn von 8,84 Euro brutto pro Stunde ist ihre Vergütung weit entfernt. Die bundesweite Gefangenen-Gewerkschaft ohne allgemein anerkannten Gewerkschaftsstatus sieht darin eine Ausbeutung im Knast.
Nach Auskunft des rheinland-pfälzischen Justizministeriums liegt das gesetzlich geregelte Arbeitsentgelt der Gefangenen zwischen 7,71 und 16,07 Euro – pro Tag, nicht pro Stunde. Die Anforderungen seien häufig niedrig und die Gefangenen „oft nur Hilfskräfte, deren Arbeit zusätzlich von Bediensteten geprüft werden muss“. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Diez im Rhein-Lahn-Kreis, Josef Maldener, verweist auch auf die Kosten für beheizte Zellen, Verpflegung und Kleidung der Inhaftierten, die die Steuerzahler tragen.
Für den Landeshaushalt erwirtschaften Häftlinge in den zehn rheinland-pfälzischen Gefängnissen so, laut Justizministerium, jedes Jahr insgesamt 8,5 bis 9 Millionen Euro. Maldener versichert mit Blick auf Firmen, die in Gefängnissen produzieren lassen: „Wir machen keine Dumpingpreise.“ Die Unternehmen zahlten Tariflöhne. Allerdings sparen sie laut der Gefangenen-Gewerkschaft die Sozialabgaben.
Die Leiterin der JVA Frankenthal, Gundi Bäßler, sagt: „Die Resozialisierung steht im Vordergrund.“ Trotz der Abschaffung der Arbeitspflicht 2013 in den Gefängnissen in Rheinland-Pfalz übersteige bei ihr die Nachfrage arbeitswilliger Häftlinge das Jobangebot: „Wir haben eine Warteliste.“ Maldener verweist auch auf Vorteile wie strukturierter Tagesablauf, Anerkennung und Fortbildung.
Der Gründer der 2014 gegründeten Gefangenen-Gewerkschaft, Oliver Rast, kritisiert in Berlin: „JVAs sind immer mehr zur verlängerten Werkbank der regionalen Wirtschaft und Industrie geworden, mit vorwilhelminischen Arbeitsbedingungen. Da ist sogar die Bismarck’sche Sozialgesetzgebung außer Kraft gesetzt.“ Gefangene hätten auch keine Rentenversicherung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keinen Kündigungsschutz, sagt der Buchhändler und ehemalige Linksterrorist, der wegen Brandanschlägen auf staatliche Einrichtungen selbst im Gefängnis gesessen hat. Im Alter drohe Häftlingen Armut.
Die Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO – BO steht für Bundesweite Organisation – zählt laut Rast bundesweit 1000 Mitglieder, von denen auch welche in Rheinland-Pfalz hinter Gittern säßen. In Rheinland-Pfalz arbeiten viele Häftlinge nach Einschätzung des Mainzer Justizministeriums auch, um sich hinter Gittern etwas kau-fen zu können: „Besonders begehrt ist Tabak – die meisten rauchenden Gefangenen drehen aus Kostengründen selbst.“ Beliebt seien auch Schokolade, Chips, Limonaden, Nudeln und Zeitschriften.
Bürger können von Gefangenen produzierte Produkte laut Justizministerium in den Gefängnisläden der JVA Rohrbach im rheinhessischen Wöllstein und der JVA Zweibrücken erwerben. Oder in den Gärtnereien der JVA Diez und der JVA Wittlich. Oder über Internetseiten von Gefängnissen. Hinzu kommt alljährlich ein Weihnachtsbasar im Ministerium in Mainz. Die Schlossereien, Schreinereien, Druckereien, Polstereien und sonstigen Betriebe hinter Gittern nehmen Aufträge von Privatleuten an, arbeiten aber auch für Staat, Kirchen und Unternehmen.
Häftlinge der JVA Frankenthal zum Beispiel haben laut der Leiterin Bäßler schon Fenster für Gefängnisse und Einbauschränke für Kindergärten angefertigt sowie Gemeindebriefe für Pfarreien gedruckt. In der JVA Frankenthal arbeiten Gefangene Bäßler zufolge auch für Automobilzulieferer und die Verpackungsindustrie. Diese Unternehmen könnten so leicht ihre Auftragsspitzen abfedern. GG/BO-Sprecher Rast meint: „Es gibt keinen großen deutschen Auto- und Elektrokonzern, der nicht mindestens über Subunternehmen in JVAs fertigen lässt.“
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