Presse-Mitteilung der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
Falschmeldungen der JVA-Leitung in Landsberg/Lech in der Presse Berlin, 6. Juni 2015
Liebe Kolleg_innen, in einem Zeitungsartikel in der „Augsburger Allgemeinen“ vom 1. Juni 2015 (http://www.augsburger-allgemeine.de/ landsberg/Landsberger-Haeftlinge-erheben-Vorwuerfe-gegen-Leiterin-id34253472.html) wird u.a. die Behauptung aufgestellt, die GG/BO zähle in der Haftanstalt im oberbayerischen Landsberg/Lech „weniger als zehn Mitglieder“. „Dies ist definitiv falsch“, so unser Sprecher, Oliver Rast. Unsere beiden GG/BO-Sprecher in der JVA Landsberg, Michael Psurek und Oliver Kroh, haben aufgrund ihres großen gewerkschaftspolitischen Engagements etwa 50 Inhaftierte zu einem Beitritt in die GG/BO motivieren können. Damit ist die GG/BO-Sektion in Landsberg aktuell neben den Justizvollzugsanstalten in Würzburg und Bernau am Chiemsee die zahlenmäßig stärkste in Bayern.
Eine weitere Passage in dem Artikel rückt die GG/BO in ein schiefes Licht. Gewerkschaften sind traditionell so genannte nicht rechtsfähige Vereine, um durch die Nicht-Eintragung ins Vereinsregister ihre Staatsferne zu dokumentieren. Auch Einzelgewerkschaften des DGB sind, wie z.B. ver.di, Vereinsstrukturen, die keine eingetragenen Vereine sind. Hieraus lässt sich indes nicht ableiten, dass Gewerkschaften – vor oder hinter den Gefängnismauern – handlungsunfähig wären. Im Gegenteil. Nicht rechtsfähige Vereine sind nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2001 hinsichtlich der Rechts- und Parteifähigkeit weitgehend eingetragenen Vereinen gleichgestellt. Rast hierzu: „Es spricht für die vereinsrechtliche Unkenntnis der hiesigen JVA-Leitung um Frau Groß, wenn aufgrund des gewerkschaftstypischen Vereinsmodells der GG/BO kurzgeschlossen wird, dass wir keine Legitimation hätten, um unsere beiden Kernforderungen nach einem Mindestlohn und einer Sozialversicherung für arbeitende Gefangene innerhalb und außerhalb der Haftanstalten publik zu machen.“
Offenbar hat die JVA-Leitung ein zwiespältiges Verhältnis zur grundgesetzlich verankerten Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3., wenn es in dem besagten Artikel heißt, dass „[e]ine Gewerkschaft im Strafvollzug nicht vorgesehen [sei].“ Auch Gefangene sind Träger von Grundrechten und demnach berechtigt, beispielsweise Gründer_in, Mitglied und/oder Aktivist_in einer Gewerkschaft zu sein. Wir beziehen uns als GG/BO ausdrücklich auf die Koalitionsfreiheit, denn es war längst überfällig, dass Gefängnisse seitens der Gefangenen keine gewerkschaftsfreie Zone mehr sind. Zudem zieht mit der GG/BO eine Normalisierung in den Gefängnistrakten ein, denn die JVA-Bediensteten haben mit ver.di oder dem BSBD eine gewerkschaftliche Vertretung.
Und in einem weiteren Punkt geht Frau Groß fehl. Die GG/BO ist nicht in erster Linie eine Ansprechpartnerin für die Vollzugsbehörden, sondern eine selbstorganisierte Initiative von Gefangenen, die das systematische Lohn- und Sozialdumping, was insbesondere gegenüber inhaftierten Beschäftigten praktiziert wird, ins Visier genommen hat. „Die soziale Frage hinter Gittern konnte durch die GG/BO offensiv gestellt werden“, so Rast.
Hinsichtlich des Bezugs von Publikationen wurde in Landsberg/L. mit zweierlei Maß gemessen. Der ehemals im geschlossenen Vollzug einsitzende Uli Hoeneß konnte Inhaftierten zufolge ein unbeschränktes Kontingent von Zeitungen und Zeitschriften erhalten. Ein Privileg, was anderen Gefangenen verweigert wurde.
Des Weiteren lassen die Ausführungen von Frau Groß aufmerken, wonach es zum Haftalltag gehöre, dass Inhaftierte und vor allem aktive gefangene Gewerkschafter mittels Leibesvisitationen und Zellenrazzien schikaniert werden. Es ist aus unserer Sicht dringend geboten, dass die Landespolitik, Gewerkschaften, aber auch Menschenrechtsorganisationen in Bayern verstärkt ihren Blick auf die Landsberger Verhältnisse lenken, um dem bundesrepublikanischen Grundgesetz in den bayerischen Haftanstalten zum Durchbruch zu verhelfen.
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