Bericht einer Angehörigen eines Gefangenen der JVA Tegel

GG/BO Soligruppe Berlin: Im Folgenden ein Bericht einer Frau eines Gefangenen der JVA Tegel. Er zeigt, wie sich Knast nicht nur auf die Gefangenen direkt, sondern auch auf die Angehörigen auswirkt.

Ich habe Anfang 2016 einen wunderbaren Menschen in der JVA Tegel kennen lernen dürfen, den ich Ende 2018 geehelicht habe. Dies tat ich in voller Kenntnis der von ihm begangenen Straftat. Nach mehreren Beziehungen fühlte ich mich bei diesem Mann angekommen, zuhause. Ich hatte einen Lebenspartner gefunden, den ich immer als zuverlässig, treu und sensibel wahrgenommen habe und der mich, soweit aus seiner Situation möglich, immer unterstützt hat. Verursacht durch die Justizverwaltung stehen wir leider aktuell vor einem Scherbenhaufen unserer Ehe.

Im 16. Haftjahr darf ich wohl erwarten, dass es einen realen Eingliederungsplan gibt. Dem ist aber nicht so!! Was soll ich antworten, wenn ich von Arbeitskollegen eingeladen werde mit Partner eine Veranstaltung zu besuchen? Was soll ich antworten, wenn sich beruflich Weichenstellungen ergeben und ich Entscheidungen diesbezüglich zu treffen habe? Wie sieht es überhaupt aus mit Familienplanung?

Stattdessen führt die Entdeckung eines Handys, mit dem wir uns gerade so ein wenig Zweisamkeit und Teilhabe am Leben des Partners ermöglicht haben, zur drastischen Reduzierung von Regelbesuchen, Entfall des Langzeitbesuches und noch weiter reduzierten Telefonzeiten über das anstaltseigene TELIO Telefonsystem über das eh schon stark reduzierte Maß eines Inhaftierten hinaus. Alles dies ist zudem offensichtlich rechtswidrig.

Fragt mein Mann die Vertreter der Justizvollzugsanstalt oder der Aufsichtsbehörde nach einer Perspektive, dann gibt es keine Antworten. Perspektivlosigkeit, Hoffnungslosigkeit bestimmen dann auch letztendlich mein Leben.

Warum verachtet Strafvollzug derart perfide unsere Beziehung? Es ist alles da: Wohnung, Schlafplatz, Ehe, weiteres zahlreiches Umfeld und und und, insbesondere eine gute Basis, um es meinem Mann zu ermöglichen, künftig ein Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung führen zu können. Letztendlich gilt ja wohl auch für uns Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetztes, der Schutz der Ehe. Selbst einige Vertreter der Justizverwaltung sind erstaunt, dass es hier in der JVA Tegel keine Angehörigengespräche gibt, wobei es bei dieser Perfidität des Strafvollzuges wohl eher um psychotherapeutische Hilfe gehen müsste. Die sogenannten „Meetings“ (etwa 2xjährlich) sind da wenig hilfreich. Wie soll ich es verstehen, dass mein Mann nichts ermöglicht wird (Arbeit, Ausbildung, Behandlung, Ausbau sozialer Kontakte) und ich hier als Angehörige nichts anderes sehe als den Verwahrvollzug der JVA Tegel?

Ich selber leide mittlerweile auch wie eine Bestrafte unter dieser Perspektivlosigkeit. Kürzlich musste ich mich zur stationären Behandlung im Rahmen einer Krisenintervention ins Krankenhaus begeben.

Die derzeitige Prüfung auf Gewährung von selbstständigen Lockerungen dauert nun schon 5 Monate. In dieser Zeit war der Sachverständige gerade eben zwei mal zu zwei Besuchen bei meinem Mann. Weiteres Zeitverhalten vollkommen unklar. Es können auch durchaus noch einmal 5 Monate ins Land gehen. Keinen stört es. Im Gegenteil: Vorgehalten wird uns, dass wir überhaupt froh sein können, dass etwas passiert, da der Sachverständige ja seinen Job nebenberuflich machen würde!!

Mein Leben hängt also von der nebenberuflichen Tätigkeit einer Person im Auftrag der Staatsgewalt ab. Warum beschleunigt Justizverwaltung diese Prüfung nicht? Kann sich die Justizverwaltung vorstellen, wie es mir als Angehörige damit geht eines Sinn in solch einer Verzögerungstaktik zu sehen? Ich bin psychisch am Ende. Nichts geht mehr. Ich hätte es mir nie vorstellen können, dass gerade der staatliche Justizvollzug so menschenverachtend handelt, gar kein Interesse daran hat, dass soziale Kontakte, hier unsere Ehe, insbesondere zur Erreichung des Vollzugzieles gepflegt werden können.

Bitte helfen Sie mir / uns. Selbst meine Briefe an die Justizvollzugsanstalt Tegel, die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin und an den Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses werden nicht beantwortet, bzw. nehmen nicht Stellung zu den Sachinhalten. Kürzlich gab es bemerkenswerterweise eine Ausnahme von dieser Regel seitens der Senatsverwaltung. Nur in der Sache an sich bewegt sich gar nichts.

Abgesehen davon rechnet mein Mann mit weiteren Repressalien durch die JVA Tegel. Konkrete Androhungen wurden bereits ausgesprochen.

Mitgefangene, Berlin März 2019

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

 

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