Zurück in den Knast: Vorbereitung auf Haftentlassung in Sachsen mangelhaft

Aufgrund des Kontaktes zu Gefangenen und dem zunehmenden Bekanntheitsgrad der GG/BO Soligruppe in Leipzig, kam es vermehrt zu Unterstützungsanfragen nach der Haftentlassung. In mehreren Fällen haben wir die Versorgung mit einer Notunterkunft, die Beantragung von Leistungen nach SGB II oder die Jobsuche unterstützt. Damit fangen wir, als ehrenamtliche Struktur, jedoch nur einen Bruchteil der aus der Gefangenschaft entlassenen Menschen auf. Eine Aufgabe, die von staatlicher Seite abgedeckt werden sollte. In der Praxis gestaltet sich die Vorbereitung auf die Haftentlassung eher schwierig. Zwei Beispiele:

In der JVA Zeithain wird die Vorbereitung zur Haftentlassung von einem externen Dienstleister erbracht. Hier namentlich der TÜV Rheinland. Dieser begleitet den Kontakt zu Sozialarbeiter*innen, leistet Unterstützung in der Wohnungs- und Jobsuche. Seit Monaten fallen Termine von Gefangenen mit dem TÜV ohne Begründung aus. Bis vor kurzem wußte die JVA Leitung nichts von diesem Umstand und versprach inzwischen Nachbesserung.

In der JSA Regis Breitingen begleiten wir die Entlassungsvorbereitung eines Gefangenen als Soligruppe. Dazu wurde ein angemessenes Zimmer gesucht, gefunden und ein Besichtigungstermin vereinbart. Die praktische Ausführung des Gefangenen zur Wohnungsbesichtigung hätten wir ebenfalls begleitet. Die Antwort der Anstalt war, dass sich der Gefangene gerne die Wohnung ansehen kann. Dies jedoch nur mit „Hand- und Fußfesseln“ und unter Übernahme der Kosten für begleitende Beamt*innen und den Gefangenentransport. Das Einlegen von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung wurde mit 2 wöchigem Einschluss quittiert, da der Gefangene auf dem „Tisch saß“. Das Einlegen von Rechtsmitteln gegen diese Disziplinarmaßnahme, hätte diese bis zur richterlichen Entscheidung aufgeschoben, scheint jedoch schlichtweg nicht angekommen zu sein. Zur Auskunft über den Status sah sich sich die Anstaltsleiterin nicht verpflichtet, da sie uns nicht „als Gewerkschaft anerkennt“.
 
Eine Kennzahl für die resozialisierende Arbeitsleistung von Justizvollzugsanstalten ist die „Gewährung von Lockerungen“. Lockerungen sind nach § 42 (4) Sächsisches Strafvollzugsgesetz „sechs Monate vor der voraussichtlichen Haftentlassung zu gewähren“. Jede*r Gefangene kann also sechs Monate vor Haftentlassung kurz in die Freiheit um soziale Kontakte zu pflegen oder sich draußen um Job- und Wohnungssuche bemühen.

Wir haben mittels einer kleinen Anfrage  über die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) versucht in Erfahrung zu bringen, wie oft diese Lockerungen gewährt wurden. Das Ergebnis ist ernüchternd. Das Justizministerium verfügt über kein Monitoring und damit keine validen Zahlen. An dieser Stelle fordern wir Nachbesserung mittels sachsenweit einheitlicher Prozesse für eine bessere Evaluation. Bis dahin darf mit kürzeren Anfrageintervallen gerechnet werden.

Weiter geht aus der Anfrage hervor, dass seit Inkrafttreten des Sächssischen Strafvollzugsgesetzes am 1. Juni 2013, ingesamt 19.852 Menschen aus der sächsischen Gefangenschaft entlassen wurden. Dem stehen jedoch nur 881 dokumentierte Lockerungen gegenüber. Davon fallen 260 auf die JVA Zeithain und 155 auf die JVA Leipzig. Traurige Schlusslichter stellen die JVA Bautzen mit 4 und die JVA Waldheim mit 5 Lockerungen – seit 2013! Entweder scheinen Gefangene kein Interesse daran zu haben den Duft der Freiheit zu kosten oder die Justizvollzugsanstalten kommen ihrem gesetzlich definierten Auftrag nicht nach.

„Allein im Monat August 2017 wurden 395 Menschen aus der Haft entlassen. Statistisch wird über die Hälfte in den ersten drei Jahren rückfällig. Angesichts der ernüchternden Zahlen lässt sich festhalten, dass die Justizvollzugsanstalten selbst einen großen Teil daran zu Verantworten haben“ so Marco Bras dos Santos von der GG/BO Soligruppe Leipzig.

Leipzig, 5. Oktober 2017 

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.