Nach Gründung einer Gefangenengewerkschaft in der Berliner JVA Tegel wollen andere Inhaftierte nachziehen
Die sogenannte Modellbauaffäre der bayerischen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) hat den Blick auf die Verhältnisse gelenkt, unter denen Gefangene in Justizvollzuganstalten (JVA) arbeiten. Ein ehemaliger Inhaftierter soll Bild in der vergangenen Woche berichtet haben, daß sie mindestens acht Stunden pro Tag für die Firma der Eheleute Haderthauer schuften mußten, manchmal sogar noch länger. Dafür sollen die psychisch kranken Straftäter einen Monatslohn von 250 Euro bekommen haben. Daß der Ehemann und Mitgesellschafter der Politikerin, Hubert Haderthauer, als Arzt für die Menschen verantwortlich war, deren Arbeitskraft er ausbeutete, macht diese Geschichte verwerflicher, doch in deutschen Gefängnissen arbeiten Inhaftierte täglich unter ähnlichen Bedingungen. Damit sie ihre Arbeitsrechte auch hinter Gefängnismauern durchsetzen können, hatte sich bereits im Mai eine Gefangenengewerkschaft in der Berliner JVA Tegel gegründet (siehe jW vom 17. Juni). Ebensolche Bestrebungen gibt es nun auch in den Haftanstalten in Berlin Plötzensee, im nordrhein-westfälischen Willich und im bayerischen Aschaffenburg. Über die dortigen Vorbereitungskreise informierte am vergangenen Donnerstag der Zusammenschluß »Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation« (GG/BO).
Die Aktiven der GG/BO fordern unter anderem, daß der gesetzliche Mindestlohn auch für sie gelten soll. Dies sei insbesondere wichtig, da Strafgefangene nach Verbüßen der Haftzeit oftmals der Altersarmut ausgesetzt seien. Während ihrer Strafverbüßung leisten sie keinen Beitrag zur Rentenversicherung. Auch das wollen sie ändern. Momentan seien sie in der BRD »nur ein Teil eines Heeres von Billiglöhnern«.
Ebenso wie in Tegel wurde nach Angaben der GG/BO die Organisierung in Willich von staatlicher Repression begleitet. So soll die Leitung der JVA dem dortigen GG-Sprecher unter anderem Briefpapier und Broschüren der GG/BO entzogen haben. Er habe dagegen Beschwerde eingelegt und erwarte nun eine gerichtliche Entscheidung. Von den Gefängnisleitungen erwarten die Gewerkschafter, daß sie ihnen zugestehen, das grundgesetzlich garantierte Recht auf Koalitionsfreiheit wahrzunehmen. In dem Text, der in Willich konfisziert wurde, heiße es dazu: »Der wirkungsvollste Selbstschutz unserer Initiative liegt letztlich darin, wenn wir innerhalb und außerhalb der Knäste unsere Mitgliederbasis weiter stärken und kein Knast in der Bundesrepublik mehr ohne Gefangenengewerkschaft ist.«
Um auf die Situation aufmerksam zu machen, wird deshalb von Unterstützergruppen am Donnerstag eine Kundgebung vor der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin abgehalten. Außerdem soll es ab diesem Monat eine Zeitung der GG/BO geben. Neben ausgewählten Pressetexten über die Bestrebungen der gewerkschaftlichen Organisierung kündigen die Aktivisten redaktionelle Texte und Gastbeiträge von draußen an. Die outbreak (deutsch: Ausbruch) soll dabei als Sprachrohr der GG/BO dienen und in Gefängnissen kostenlos verteilt werden. Sonst soll sie für zwei Euro erhältlich sein. (jW)
Kundgebung: »Gewerkschaftsrecht auch im Knast«
Donnerstag, 14. August, 17 Uhr, Senatsverwaltung für Justiz, Salzburgerstr. 21, Berlin
outbreak bestellen: info@gefangenengewerkschaft.de