Häftlinge beklagen „massive Billiglöhnerei“
JVA-Leiter: Jeder Häftling kostet täglich 90 Euro
von Gisela Schmidt
Gefangene, die hinter Gittern arbeiten, bekommen einen Stundenlohn von durchschnittlich 1,45 Euro. Zu wenig, meint die nach eigenen Angaben im Mai gegründete Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) und fordert gleich auch noch die „Einbeziehung der Gefangenen in die sozialen Sicherungssystem, insbesondere in die Rentenversicherung“.
Tatsächlich wird Arbeit in den Gefängnissen nicht üppig vergütet. Es gibt fünf Bezahlungsstufen, „je nach Qualifikation der Häftlinge liegt der Stundenlohn derzeit zwischen 1,10 und 1,80 Euro“, erklärt der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg, Robert Hutter, auf Anfrage. Bei einer 40-Stunden-Woche kommt ein Gefangener also auf einen Monatslohn unter 300 Euro.
Bei dieser Berechnung darf man allerdings nicht vergessen, dass sich in der Haft niemand um seinen Lebensunterhalt sorgen muss. Kost, Logis und ärztliche Versorgung sind für die Gefangenen frei, Wäsche und Kleidung wird gestellt. Außerdem sind alle Häftlinge, die in der JVA arbeiten, in der Arbeitslosenversicherung. „Jeder Gefangene kostet den Freistaat Bayern täglich 90 Euro“, sagt Hutter. Macht monatlich 2700 Euro und bei derzeit 534 Häftlingen allein in der JVA Würzburg jährlich rund 17,3 Millionen Euro.
In der JVA gibt es neun Eigenbetriebe, in denen Häftlinge arbeiten können: Schreinerei, Schlosserei, Elektrobetrieb, Wäscherei, Kfz-Werkstatt, Installations- , Maler- und Baubetrieb sowie eine Küche. Außerdem, so Hutter, können Firmen Aufträge an die Anstalten vergeben. Die Bedingungen werden mit der JVA-Arbeitsverwaltung verhandelt. Zur Zeit werden am Friedrich-Bergius-Ring zum Beispiel Airbag-Module hergestellt.
Gesetz regelt Bezahlung
Von dem Geld, das sie im Gefängnis verdienen, bekommen die Häftlinge drei Siebtel ausgezahlt. Davon können sie im Gefängnis-Laden zum Beispiel Kaffee und Tabak kaufen. Vier Siebtel des Lohns werden zurückgelegt, damit die Gefangenen nicht mit leeren Händen dastehen, wenn sie entlassen werden. Wer mit seinen Arbeitsbedingungen nicht zufrieden ist, kann sich laut Hutter an die „gewählte Gefangenenmitverantwortung“ wenden. Von Gewerkschaftsarbeit in seiner Anstalt hat der JVA-Leiter „noch nichts gemerkt“. Er betont, dass die Bezahlung von Gefangenen nicht zwischen Tarifpartnern vereinbart, sondern durch das „Bayerische Strafvollzugsgesetz“ geregelt wird.
Den Gefangenen, den die GG/BO als ihren Würzburger „Sprecher“ benennt, kennt Hutter zwar. Er betont aber, dass dieser Mann „nicht gewählt wurde“. Die Behauptung der GG/BO, ihr Würzburger Vertreter werde „in seinem gewerkschaftlichen Engagement unter anderem“ dadurch „eingeschränkt“, dass ihm Gewerkschaftspost unter dem „billigen Vorwand des Verstoßes gegen die Sicherheit und Ordnung nicht ausgehändigt“ werde, weist Hutter zurück. Als er von einer anderen JVA nach Würzburg verlegt wurde, habe der Mann „Internet-Ausdrucke bei sich gehabt“, sagt Hutter. Da auf diesen Papieren der Name eines anderen Häftlings gestanden habe, sei ihm verboten worden, sie mit in seine Zelle zu nehmen. Die Schriftstücke befänden sich jetzt „bei der Habe des Gefangenen“, bei seiner Entlassung könne er sie mitnehmen.
Die GG/BO zählt nach eigenen Angaben bundesweit „über 300 (inhaftierte) Mitglieder“. Im Frühjahr 2015 will sie „vor Knästen und Firmensitzen Protestkundgebungen abhalten, um die skandalöse Billiglöhnerei hinter Gittern zu thematisieren“.