»Gefangenen-Gewerkschaft« in Berlin gegründet. Repression und Zellendurchsuchung folgten prompt
von Claudia Wrobel
in: junge welt | Dienstag, 17. Juni 2014
Die Durchsetzung von Grundrechten ist für Inhaftierte besonders schwierig. Das mußten Ende Mai auch Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel in Berlin erfahren, als sie eine »Gefangenen-Gewerkschaft« gründeten.
»Wir haben uns zum Ziel gesetzt, insbesondere die Frage des anvisierten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns für beschäftigte Inhaftierte und die Frage nach einer Rentenversicherung für Gefangene in den öffentlichen Raum zu werfen«, so deren Sprecher Oliver Rast in einer Presseinformation zur Gründung. Insbesondere der Ausschluß aus der Rentenversicherung habe für Gefangene, die langjährige Haftstrafen absitzen müssen, gravierende Folgen. Durch die Minimierung ihrer Ansprüche drohe ihnen Altersarmut nach ihrer Entlassung. Außerdem würden Inhaftierte auch für externe Unternehmen Produkte fertigen. Insofern verstärke deren Ausnahme vom Mindestlohn auch den Druck auf Beschäftigte außerhalb der Gefängnisse. Die Inhaftierten hoffen auch auf Unterstützung von Gewerkschaften von »außen«. In einem Flugblatt werben sie für ihre Idee, die über die konkrete Verbesserung der Arbeitsbedingungen hinaus gehen soll. Demnach könne die gewerkschaftliche Organisierung auch zu einem ausgeprägteren Gemeinschaftssinn führen. »Bislang haben Gefangene in diesen Fragen keinerlei Lobby. Diese schaffen wir uns mit der Gefangenen-Gewerkschaft in der JVA Tegel nun selbst«, faßte Rast zusammen.
Doch eine knappe Woche nach Bekanntwerden der Initiative wurde sie mit Repression belegt. Wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie mitteilte, wurde die Zelle des Sprechers Rast durchsucht. Dies soll eine direkte Reaktion auf die Gewerkschaftsgründung gewesen sein, da entsprechende Schriften und Aufzeichnungen in diesem Zusammenhang beschlagnahmt wurden. Das Grundrechtekomitee wies darauf hin, daß solche Organisierungsversuche auch in der Vergangenheit stets von den jeweiligen Vollzugsanstalten unterbunden wurden. Dies widerspreche allerdings dem Recht auf Koalitionsfreiheit, das in Artikel 9 des Grundgesetzes verankert ist und natürlich auch für Gefangene gilt. Außerdem erinnerte das Komitee daran, daß eine Petition an den Bundestag zur Einbeziehung Inhaftierter in die Rentenversicherung schon im Jahr 2011 zahlreiche Unterstützer gefunden hat. Der zuständige Ausschuß überwies sie demnach allerdings an die Bundes- und Landesregierungen, »statt die Politik aufzufordern, dem Anliegen zu entsprechen«.