GG/BO Soligruppe Köln: In der Sicherungsverwahrungs-Abteilung der JVA Werl gibt es eine sehr aktive Gruppe von Mitgliedern der Gefangenengewerkschaft (GG/BO). Am 22.11. hatte ich (Gerhard von der GG-Soligruppe NRW) die Möglichkeit, mit den Mitgliedern in der SV-Abteilung zu diskutieren.
Gewerkschaftsversammlungen im Knast sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Leider sieht die Realität vielerorts ganz anders aus. Viele Knäste versuchen die Arbeit der Gefangenengewerkschaft massiv zu behindern. So sind wir derzeit auf „wohlwollende“ Anstaltsleitungen angewiesen, die nicht ihre Hauptaufgabe darin sehen, den Gefangenen und „Verwahrten“ alle demokratischen Rechte abzusprechen. Unsere längerfristige Aufgabe wird darin liegen, aus diesen positiven Einzelentscheidungen der Anstaltsleitungen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch zu machen.
Organisiert und durchgesetzt wurden die bisherigen Veranstaltungen (Bochum und Werl) immer von den Gewerkschaftsgruppen in den jeweiligen Anstalten. Jetzt aber zu der Veranstaltung in Werl.
Gekommen waren ca. 35 Gewerkschafter. 4 durften leider nicht teilnehmen, da sie sich in sogenannten Sicherungsmaßnahmen befanden. Dies wurde allgemein als nicht hinnehmbar gesehen.
Schon die Disziplinarstrafen im Strafvollzug sind Teil des zu überwindenden diktatorischen Gefängnissystems. Es wird aber immer wieder behauptet, Sicherungsverwahrung nach „abgesessener“ Strafhaft diene nur dem Schutz der Bevölkerung vor den als „gefährlich“ Abgestempelten, sei jedoch keine Strafe. Warum dann aber Sonderstrafmaßnahmen in der „Nicht-Strafanstalt“? Um nicht unsolidarisch gegenüber den Ausgeschlossenen zu sein, war von GG-Aktiven im Vorfeld schon angedacht worden, die Veranstaltung komplett abzusagen. Angesichts der Tatsache, dass es – wie oben erwähnt – sehr schwierig ist, solche Veranstaltungen überhaupt genehmigt zu kriegen, entschlossen wir uns dann doch für die Durchführung.
Die Versammlung fand im Besucherraum der SV-Abteilung statt. Viele berichteten, dass sie diesen Raum seit vielen Jahren zum ersten Mal sahen. Ein erschreckendes Zeichen, wie isoliert die allermeisten der „Verwahrten“ sind.
Auch innerhalb der ansatzweise _kritischen Bewegungen draußen_ finden kaum Auseinandersetzung_en_ mit der Sicherungsverwahrung statt. Immer wieder hörte ich das Schröder-Zitat „Wegsperren und zwar für immer“. Die Kollegen in Werl nannten das „zuTodevollstrecken“.
Inhaltlich sprachen wir dann über das erbärmliche Schauspiel in Sachen Rentenversicherung. Bund und Länder sagen zwar alle, dass dies sinnvoll sei. Bezahlen will‘s natürlich keiner. So schieben sie sich gegenseitig die Verantwortung zu. Ist ja auch total nachvollziehbar.
Schließlich geht es um irrsinnige Summen. In NRW schätzungsweise um 4-5 Millionen. PolitikerInnen, die ansonsten in Milliarden rechnen, machen aus den paar Millionen eine Frage der Staatsräson. Das ist ein Wettbewerb der Schäbigkeiten. Grundsätzlich wurde beklagt, dass sich seit der Regierungsübernahme durch schwarz-gelb die ohnehin schlechten Bedingungen noch mehr verschärft hätten.
Breiten Raum in der Diskussion nahm auch das Thema Selbstverpflegung und Einkauf ein. Sicherungsverwahrte haben zwar das Recht auf Selbstverpflegung. Ende der guten Nachrichten. Für diese Selbstverpflegung erhalten sie einen Tagessatz von 2,14 Euro. Sehr großzügig, lieber Staat !!! Nun gut, für Nudeln mit Tomatensoße würd‘s reichen. Aber wer will schon jeden Tag Nudel mit Tomatensoße essen? Von diesem üppigen Tagessatz dürfen sie dann bei der Firma Massak einkaufen. Die Preise, die mir genannt wurden, machten mich sprachlos. 1 kg Schweinebauch – stolze 11,50 Euro. Abgepackte Ware, wie z.B. Frikadellen, durchgehend 0,40 Cent teurer als draußen. Wie heißt es so schön: das Leben drinnen soll den Verhältnissen draußen so weit wie möglich angeglichen werden. Dies sollte umso mehr für die Sicherungsverwahrung gelten (s.o.: SV = „keine Strafe!_)
Vor der Veranstaltung hatte ich Bedenken, dass die gefangenen Kollegen vielleicht übertriebene Erwartungen in unsere praktischen Möglichkeiten als Soligruppe hätten, was die Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen anbelangt. Die allermeisten schätzten das politische Klima draußen aber sehr realistisch ein. Sie freuten sich, dass überhaupt mal jemand von draußen gekommen war, um mit ihnen zu diskutieren. Was für ein Armutszeugnis für diese Gesellschaft ! Da fast alle sich zu Wort meldeten, wurde eine Vielzahl von Problemen angesprochen, die noch weiter verfolgt werden müssen. Dieses Treffen zwischen Aktiven drinnen und einem, der ihre Kritik und ihre Forderungen draußen verbreiten will, ist ein Anfang. Was wir als _GG-_Soligruppe machen können, ist Öffentlichkeit für die gefangenen Gewerkschafter herzustellen. Dieser Bericht ist also ein Auftakt.
Daneben erhalten wir in der monatlichen Bürgerfunksendung des Autonomen Knastprojektes bei Radio Köln sehr oft Platz für Themen, die sich der GG-Soligruppe NRW aus dem Kontakt mit aktiven Kolleg/inn/en der Gefangenengewerkschaft aufdrängen. Die lokale Station hat nur ein kleines Sendegebiet. Außer in Köln können uns Gefangene also nicht hören. Es sei denn, sie hätten Internetanschluss. Und der fehlt fast allen Weggesperrten, auch den „Verwahrten“ in Werl. (SV=_„_keine Strafe“!) Also ein Hinweis überwiegend für Aufgeschlossene draußen: Sendetermin ist normalerweise am ersten Samstag im Monat, 20:30 Uhr, 107,1 Mhz, Podcast unter „akpradio.podspot.de“.
Kontakt zu bürgerlichen Medien haben wir als GG-Soligruppe NRW leider nicht. Vielleicht melden sich ja noch kritische JournalistInnen, die nicht vor unpopulären Themen zurückschrecken.
Zum Schluss der Veranstaltung wurde es für mich noch peinlich. Die gefangenen Kollegen kamen zu mir, um mir die Hand zu schütteln und sich zu bedanken. Es wird höchste Zeit, dass Gewerkschaftsveranstaltungen im Knast diesen Nimbus der Außergewöhnlichkeit verlieren und selbstverständlich werden.
Köln, 25. November 2019
Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.
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