„China in Deutschland“: Wo der Mindestlohn nicht gilt

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Kleve (17.5.2015). Seit Anfang des Jahres gilt in Deutschland flächendeckend der Mindestlohn. Und doch gilt er nicht überall. Zum Beispiel nicht im Gefängnis. Zwar arbeiten die Häftlinge dort auch, aber statt 8,50 Euro in der Stunde bekommen sie nicht mal 2 Euro.
Die Redaktion der Klever Gefangenenzeitung „Jaily News“ hat diese Ungleichbehandlung zum Thema ihrer aktuellen Ausgabe gemacht. Sie bat die Kreis Klever CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Günther Bergmann und Margret Voßeler um Stellungnahmen, da beide zu den Beiräten der Justizvollzuganstalten (JVA) in Kleve und Geldern gehören. Unterstützung, den Mindestlohn auch im Gefängnis einzuführen, gab es aber nicht. „Der Mindestlohn ist eingeführt worden, um Lohndumping zu verhindern und Arbeitnehmern einen auskömmlichen Lohn für ihren Lebensunterhalt zu sichern. Genau darum geht es bei einer Tätigkeit im Gefängnis nicht“, schrieb Margret Voßeler der Redaktion. Voßeler und Bergmann führen in ihren Schreiben auch an, dass die Unterbringung der Häftlinge den Staat viel Geld koste und außerdem die Produktivität der Häftlinge „oft sehr niedrig ist“. Gerade letzterer Punkt spielt beim Mindestlohn übrigens keine Rolle: Es gibt eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in der Stunde – was ein Arbeitnehmer dafür leistet, ist egal.
Im Gefängnis wird übrigens richtig produziert. Viele Autohersteller sind Kunden im „Knast“, lassen hier Teile für ihre Autos produzieren. Andere Firmen lassen ihre Produkte von Häftlingen verpacken. „Da diese Lohnkosten mit Billiglohnländern konkurrieren können, wird die Verlagerung ins Ausland unnötig und örtliche Qualitäts- und Logistikvorteile können genutzt werden“, wirbt eine JVA auf ihrer Internetseite für die Produktion im „Knast“.  Als „China in Deutschland“ wird die Arbeit durch Gefangene deshalb auch schon mal bezeichnet.  Die „Jaily News“-Redaktion fragte Margret Voßeler deshalb: „Bedeutet aber nicht die Vergütung weit unter Mindestlohnniveau ein Lohndumping durch (mindestens) Untersuchungshäftlingen gegenüber ‚normalen‘ Arbeitnehmern?“ Darauf gab es dann allerdings keine Antwort.

Olaf Plotke (Text)

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