Berliner Justiz und Leitung der JVA Tegel verschleppen Aufklärung des Schmuggelskandals

Pressemitteilung der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 18. Januar 2016 informierte der Strafgefangene Timo F. über seinen Rechtsanwalt Carsten Hoenig die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz sowie die Leitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel über einen Schmuggelskandal. Demnach schleusen JVA-Beamte Möbel, Designertaschen, Edelstahlgrills und andere, in den JVA-Betrieben hergestellte Produkte aus dem Gefängnis. Zuletzt berichtete das ZDF-Magazin „Frontal 21“, wie sich Beamte auf Kosten der JVA bereichern.

Die Pressesprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, Claudia Engfeld, sprach seinerzeit von einem „Einzelfall“. Zudem habe man am 13. Mai 2016 das Landeskriminalamt (LKA) eingeschaltet. Erst zu diesem Zeitpunkt habe es konkrete Hinweise auf Straftaten gegeben, behauptet Engfeld. Neue Hinweise zeigen: Die Justizverwaltung hätte viel eher auf die Vorwürfe reagieren müssen. Stattdessen ignorierte die Behörde konkrete Belege, leitete entsprechende Schreiben von Häftlingen nicht an das zuständige LKA weiter. Angeblich weil die Beschwerden nur „vage Hinweise“ enthielten.

Es obliegt jedoch nicht einer JVA-Leitung, Hinweise auf Straftaten zu bewerten. Das ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Bereits am 18. Januar 2016 hätte das LKA eingeschaltet werden müssen. „Es besteht der Verdacht, dass JVA-Leitung und Senatsverwaltung mögliche Ermittlungen bewusst verschleppt haben, um einen mutmaßlichen Justiz-Skandal zu vertuschen“, sagt GG/BO-Sprecher Oliver Rast.

Nachdem „Frontal 21“ die Missstände thematisiert hatte, verhängte die JVA-Leitung Disziplinarmaßnahmen gegen die im Fernsehbeitrag zitierten Strafgefangenen Timo F. und Benjamin L. – Freizeitsperre, früherer Einschluss, TV-Entzug, Stornierung von Langzeitbesuchen.
Hintergrund: Beide Inhaftierte sollen ihre Aussagen im Gefängnis mit einem Mobiltelefon aufgezeichnet und an die ZDF-Journalisten weitergeleitet haben. Der Besitz von Mobiltelefonen ist Häftlingen untersagt. Bei den am Tag nach der Ausstrahlung stattfindenden Zellenrazzien wurden keine Handys oder ähnliche Geräte gefunden. Laut Senatssprecherin Engfeld ist jedoch nicht nur der Besitz, sondern schon der „Gebrauch“ eines Smartphones strafbar. „Jetzt wird bereits der Nicht-Besitz eines Aufzeichnungsgerätes mit Disziplinarmaßnahmen geahndet – das ist absurd“, kritisiert GG/BO-Sprecher Rast.

Mittlerweile haben sich weitere Zeuginnen und Zeugen gemeldet, die konkrete Aussagen gegenüber dem LKA Berlin gemacht haben. Dabei handelt es sich um Inhaftierte, Ex-Inhaftierte oder Angehörige von Inhaftierten. Diese bestätigen die von Timo F. gemachten Angaben, wonach sich in der JVA Tegel ein Netzwerk von Bediensteten etabliert hat, das die Arbeitserzeugnisse von inhaftierten Beschäftigten für den Eigenbedarf oder einen Weiterverkauf abzweigt.

Über die aktuelle Entwicklung informiert die Gefangenengewerkschaft GG-BO während einer Pressekonferenz am 13. Oktober 2016. Dabei werden u.a. die Anwälte der Strafgefangenen Timo F. und Benjamin L. anwesend sein. Ort und Zeit der Pressekonferenz werden noch bekannt gegeben.

Berlin, 6. Oktober 2016

 

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

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