Zur Sonne, zum Freigang

Gewerkschaft der Häftlinge Der Mann, dem die Knackis vertrauen

Mindestlohn, Rente, ein Ende der Zwangsarbeit: Oliver Rast kämpft für die Rechte von Häftlingen. Er war ja selbst einer, saß wegen Brandstiftung – und gründete in Berlin eine Gewerkschaft. Streik oder Meuterei?

von und Pepe Egger
Oliver Rast war selbst Häftling, heute verkauft er Bücher in einem linken Antiquariat

Foto: Georg Moritz
Oliver Rast war selbst Häftling, heute verkauft er Bücher in einem linken Antiquariat

Sie sitzen um Tische herum, zu fünft oder zu sechst, in dieser großen Halle. Vor ihnen Kartons, die sie sortieren, Metallteile, die sie aus Gussfassungen herausbrechen, kleine Berge von Plastikformen, die langsam abgearbeitet werden. Es wird geplaudert, alles geht seinen Gang. Doch keiner der Arbeiter ist freiwillig hier. Sie sind Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel. Gehalt: zwischen 9,41 Euro und 15,69 Euro. Am Tag.

Etwas abseits steht ein Justizbeamter, 80 Gefangene hat er normalerweise zu beaufsichtigen. Nur 53 von ihnen sind zur Arbeit erschienen. Wer sich der Arbeit verweigert, erzählt der Aufseher, kriegt drei Monate überhaupt kein Geld. Und wenn einer gar nicht arbeiten will? „Dann erinnert man ihn halt an die Konsequenzen“, sagt der Wärter.

Im deutschen Grundgesetz kommt die Zwangsarbeit gleich nach dem Recht aller Deutschen, ihren Beruf und Arbeitsplatz frei wählen zu dürfen. Artikel 12, Absatz 3: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“ Arbeiterrechte, die über Jahrzehnte draußen erkämpft wurden, gelten hier drin nicht. Keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Rentenversicherung, kein Mindestlohn. Und keinen, den das interessiert. Fast keinen.

An einem Wintermorgen sitzt Oliver Rast am Schreibtisch des Roten Antiquariats in Berlin-Mitte, einer Buchhandlung für „seltene Socialistica“ und Kampfschriften aus der Geschichte der Arbeiterbewegung. Neben ihm stehen meterweise Marx- und Engels-Bände in den Regalen, Bebel- und Lenin-Statuen schmücken sie. Es gibt Mao-Büsten hier und eine von Stalin, Rosa Luxemburgs „Gesammelte Werke“ in einer Ausgabe von 1928. Mit Büchern zu handeln, ist jetzt Rasts Beruf. Aber er weiß, wie es ist, in einer dieser Hallen im Gefängnis zu arbeiten.

In der JVA Tegel können Häftlinge zum Beispiel in der Schreinerei arbeiten. Es ist Teil ihrer Resozialisierung.

 Foto: Doris Spiekermann-Klaas

In der JVA Tegel können Häftlinge zum Beispiel in der Schreinerei arbeiten. Es ist Teil ihrer Resozialisierung.

Ausweislich seiner blassgrünen Haftanstalten-Hauskarte ist er Ex-Gefangener, Buch-Nummer: 2355/07-6, Beutel-Nummer: 413. „Diese Karte ist beim Verlassen des Haftraumes mit sich zu führen!“ steht darauf. Rast ist Jahrgang 1972, Stoppelbart und Kurzhaar, Sportklamotten, die ein bisschen spannen. Er war von 2011 bis 2014 in Berlin hinter Gittern, unter anderem in der JVA Tegel. Verurteilt wegen versuchter Brandstiftung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der linksradikalen „militanten gruppe“. Heute ist er so etwas wie Deutschlands oberster Einforderer von Verbrecherrechten. Jedenfalls für jene Kriminellen, die vor einem Richter gestanden und ein Urteil samt Haftstrafe empfangen haben. Er sagt: „An der Werkbank kommen in Tegel um 6.55 Uhr alle zusammen und wissen, dass mit ihnen Billiglöhnerei gespielt wird.“

Vor zweieinhalb Jahren hat Rast während seiner Haft die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG-BO) gegründet. Zusammen mit einem Mann, der wegen Erpressung und Anstiftung zum versuchten Mord nebst besonderer Schwere der Schuld verurteilt worden war – lebenslänglich. Ein Interview mit ihm untersagt die Gefängnisleitung kurzfristig wieder.

Vor Rast stapeln sich Zuschriften, größtenteils aus Gefängnissen quer durch Deutschland. Handgeschrieben, mit …

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Quelle: http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/gewerkschaft-der-haeftlinge-der-mann-dem-die-knackis-vertrauen/19265158.html

  

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