Der Korruptions-Skandal im Thüringer Strafvollzug ist nur die Spitze des Eisbergs

Zur Ausbeutung der Gefangenen durch korrupte Beamte und die Thüringer Behörden

Wie der Presse (MDR und OTZ) zu entnehmen war und wie wir unmittelbar von unseren inhaftierten Kollegen erfuhren, kam es am Montag, dem 12. Dezember 2016, zu einer Durchsuchung das Thüringer LKAs in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna und der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt. Es bestehe der „Verdacht der Vorteilsnahme von Mitarbeitern in den Gefängnissen“. Die Erfurter Staatsanwaltschaft ermittele nun „gegen einen leitenden Mitarbeiter des Justizministeriums“. Auslöser sei eine „anonyme Anzeige“ gewesen.

Die Nachricht überraschte uns nicht. Wie wir immer wieder von Häftlingen erfahren, nutzen JVA-Beamte in Thüringen regelmäßig ihre Machtposition gegenüber den Gefangenen aus und lassen sie kostenlos für sich arbeiten. Sie lassen sich – wie die Tage von der Presse berichtet – für umsonst ihre Autos in der KfZ-Werkstatt der JVA Tonna reparieren oder Möbel in der Holzwerkstatt der JSA Arnstadt bauen. Sie nehmen aber auch gerne mal Brot aus der Bäckerei mit oder – wie der vom MDR bekannt gemachte Fleisch-Skandal vom Mai 2015 in der JVA Tonna deutlich machte – Fleisch aus der Anstaltsküche. Erst diesen September sorgte die GG/BO in Berlin für Wirbel, als zwei ihrer inhaftierten Mitglieder einen Klau- und Schmuggelring von Beamten in der JVA Tegel aufdeckten.

Doch während derartige Fälle gelegentlich für Skandale sorgen, wird die alltägliche Ausbeutung der Häftlinge durch die Behörden unter den Teppich gekehrt – obwohl es dabei um das selbe Problem geht. Ob der Beamte sich sein Auto kostenlos reparieren lässt oder der Thüringen Freistaat die Häftlinge für ca. 1€ die Stunde regulär arbeiten lässt, macht letzten Endes doch keinen großen Unterschied. Sowohl die einzelnen Beamten wie die Behörden nutzen ihre Machtposition gegenüber den Gefangenen aus und lassen für sie nichts oder fast nichts für sich arbeiten. Inhaftierte Arbeiter in der Tischlerei der JVA Untermaßfeld haben beispielsweise die Polizeischule in Meiningen sowie die Gerichte in Gotha, Arnstadt und Eisenach möbliert und ausgestattet. Dafür wurden sie mit Hungerlöhnen abgespeist und mussten teilweise sogar an Feiertagen Überstunden leisten.

Insofern bestärken wir zwei der Kernforderungen der Gefangenen-Gewerkschaft: Mindestlohn und Einbeziehung in die Sozialversicherung für alle Gefangenen! Wir appellieren an unsere Mitglieder und andere Häftlinge, mit uns in Kontakt zu treten und weitere Fälle von Willkür und Korruption auf Kosten der inhaftierten Arbeiterinnen und Arbeiter aufzudecken!

Jena, 14. Dezember 2016

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