Arbeitskampf in der Justizvollzugsanstalt.

Arbeitskampf in der Justizvollzugsanstalt –
Teilerfolge und Konfliktpunkte

Ein Ausblick: Gefangene erhalten Tariflohn, sie sind renten- und krankenversichert, haben einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und genießen Kündigungsschutz. Ist das möglich?

Vom Sklaven zum Zwangsarbeiter

Früher wurden die Menschen aufgrund der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft versklavt und als Leibeigene gehalten.
Sklaven wehrten sich mit Erfolg dagegen. Die Sklaverei ist nun abgeschafft. Der Sklaverei folgte die Zwangsarbeit. Auch hierbei ging es darum, diese abzuschaffen. Bis auf eine Ausnahme gilt die Zwangsarbeit in Bundesrepublik Deutschland als abgeschafft – Mit einer Ausnahme: Gefangene! Im Art. 12 Abs. 3 GG und MRK Art. 4 IIIa. wird die Zwangsarbeit gegenüber inhaftierten Menschen legitimiert.
Nun kämpfen die Gefangenen für die Abschaffung der Zwangsarbeit!

Vom Zwangsarbeiter zum gefangenen Arbeiter

Den inhaftierten Beschäftigten wird – obwohl sie nur zu einer Haftstrafe verurteilt wurden – der sog. Arbeitnehmerstatus abgesprochen. Jetzt kämpfen sie dagegen. Bis zur Gründung der GG/BO am 21.5.2014 wurde dieser Arbeitskampf von einzelnen Gefangenen unorganisiert geführt. Sie erzielten aber dennoch erhebliche Erfolge und Veränderungen zugunsten der gefangenen Arbeiter_innen.
Für Gefangene im sog. Offenen Vollzug, die einen Freigängerstatus haben, kann das u.a. bedeuten:
Beschäftigungsverhältnis auf der Basis von Mindestlohn oder gar Tariflohn;
Privatrechtlich abgeschlossene Arbeits- oder Ausbildungsverträge, Wirkung des Betriebsverfassungsgesetzes und sog. Arbeitnehmereigenschaft;
komplette Sozialversicherungspflicht und Arbeitsschutzregelungen über die Berufsgenossenschaft;
uneingeschränkte Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9, 1 u.3) nach dem bundesdeutschen Grundgesetz;
Zahlung eines Haftkostenbeitrags für die „Unterbringung“ von max. 357 Euro monatlich.

Gefangene im Verwahrvollzug

Der Offene Vollzug ist gemäß § 10 StVollzG der Regelvollzug. Dennoch machen etwa 90 % der Inhaftierten im Verwahrvollzug Endstrafe, da die Ausbeutung der billigen Arbeitskraft der Inhaftierten für Landesbehörden und externe Unternehmen aufrechterhalten bleiben soll.
Aber auch hier wehrten sich Gefangene einzeln und erzielten z.T. Erfolge:
Die Arbeitszuweisung Inhaftierter an externe Unternehmen bedarf der formalen Zustimmung;
Arbeitspflicht entfällt bei Erwerbsunfähigen;
eine gesundheitsgefährdende kann wie eine „resozialisierungsfremde“ Arbeitszuweisung formal abgelehnt werden;
es besteht für den Verbrauch der menschlichen Arbeitskraft der Inhaftierten ein Vergütungsanspruch und Bestimmungen des Arbeitsschutzes gelten (eigentlich) auch für inhaftierte Beschäftigte;
Gefangene sind unfallversichert und es besteht ein Anspruch auf (Zellen-)Urlaub;
Gefangene sind Träger_innen von Grundrechten, dennoch ist die (volle) Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit hinter Gittern lt. unterschiedlicher Beschlüsse von Oberlandesgerichten strittig;
das Arbeitsentgelt für Inhaftierte wurde von ursprünglich 5% des Durchschnittseinkommens aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf 9% angehoben, obwohl das StVollzG eine stufenweise Erhöhung auf 40% vorgesehen hat.

Streitfall: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Im StVollZG ist in § 45 eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vorgesehen, die allerdings unter dem Vorbehalt eines besonderen Bundesgesetzes steht, welches bis zum heutigen Tage nicht erlassen wurde. Was könnte hierfür der Hintergrund sein?
Wenn Gefangene einen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hätten, könnte der „Bummelstreik“ wie bei verbeamteten Beschäftigten im Staatsdienst eine (rechtswidrige) Methode des indirekten Arbeitskampfes sein. Beim „Bummelstreik“ wird die Arbeitsleistung bewusst gesenkt und beim „Blaumachen“ mit Krankschreibung erfolgt eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Beamt_innen dürfen zwar nicht streiken, sie haben es aber durchsetzen können, sich in eigenen Berufszweigen gewerkschaftlich zu organisieren.
Offenbar hat der Gesetzgeber die Befürchtung, dass Gefangene bei der Gewährung einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ebenfalls zur Methode des „Blaumachens“ greifen könnten – und Krankengeld einstreichen…

Der indirekte Arbeitskampf der Gefangenen

Die Gefangenenarbeit wird seitens des Gesetzgebers fälschlich in der Regel als unproduktiv abgewertet – trotz Akkord und Pensumsvorgaben. Hierbei bleibt unberücksichtigt, dass die staatlich beförderte Billiglöhnerei und die fehlende Einbindung der inhaftierten Beschäftigten in die komplette Sozialversicherung ein wesentlicher Faktor der geringen Produktivität und Qualität sein können. Das bestätigt z.B. eine kleine Umfrage unter inhaftierten Beschäftigten in der JVA Tegel, die jüngst unternommen wurde.
Aus der Umfrage geht gleichfalls hervor, dass sich die Unzufriedenheit der inhaftierten Beschäftigten über ihre prekäre Lage in einer verlangsamten Produktion und mangelhaften Fertigung ausdrücken kann. Diesem „informellen“ Arbeitskampf versuchen die Vollzugsbehörden mit der Gewährung von (immer seltener werdenden) Leistungszulagen zu begegnen.
So oder so: Vieles ist bislang offen und nicht erreicht. Die soziale Frage hinter Gittern ist noch lange nicht beantwortet. Es braucht die GG/BO – in jedem Knast!

Berlin, 07.03.2016

Bildquelle 

Die von den einzelnen AutorInnen veröffentlichten Beiträge geben nicht die Meinung der gesamten GG/BO und ihrer Soligruppen wieder. Die GG/BO und ihre Soligruppen machen sich die Ansichten der AutorInnen nur insoweit zu eigen oder teilen diese, als dies ausdrücklich bei dem jeweiligen Text kenntlich gemacht ist.

1 Kommentar

  1. Die sitzen ja nicht „umsonst“ im Knast !!! Sollen die etwa noch belohnt werden für Ihre Verbrechen ?
    Wie wäre es denn wenn sie für essen und wohnen auch Ihren Obolus dazu beitragen ??

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